Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolumbus kam als Letzter

Kolumbus kam als Letzter

Titel: Kolumbus kam als Letzter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Zillmer
Vom Netzwerk:
gegen die Katharer und die Gleichsetzung der Empfängnisverhütung mit Mord kann dazu führen, dass
    die um 1360 nach der Pest beginnende und 1484 für ganz Europa
    koordinierte Hexenverfolgung als bloße Fortsetzung der Katharer-
    bekämpfung aufzufassen ist, denn die Inquisition benötigte ein
    neues Aufgabenfeld (Heinsohn/Steiger, 1985, S. 112 f.).
    Nach dem Beginn der Kleinen Eiszeit führte die schwarze Pest ab
    1348 im Zusammenspiel mit den Überflutungen an der gesamten
    Nordseeküste zu einem dramatischen Bevölkerungsrückgang. Was
    hat dies mit der Kirche zu tun? Um 1430 besaßen die Klöster und
    die Kirche in England 25 Prozent und in Schweden 21 Prozent
    vom Grund und Boden (Cipolla, 1981, S. 55 ff.). Hinzu kommen
    die Besitzungen der weltlichen Feudalherrscher (Krone). Der durch
    die Katastrophen Mitte des 14. Jhs. hervorgerufene Bevölkerungs-
    rückgang führte zu einer dramatischen Verknappung der Arbeits-
    kräfte, welche die Kirche für die Bearbeitung ihrer Ländereien
    dringend benötigte. Die durch die weisen Frauen praktizierte Emp-
    fängnisverhütung war unerwünscht!
    Mit dem Wüten der Naturkatastrophen dezimierte die Pest große
    Bevölkerungsteile Europas, Vorderasiens und Nordafrikas. Der
    heilbaren Beulenpest und der fast immer todbringenden Lungenpest
    fielen in den Katastrophenjahren 1348-1352 Millionen von Men-
    schen zum Opfer. Nach Schätzungen wurden um die 25 Millionen
    Menschen, etwa ein Drittel der Bevölkerung, durch den schwarzen
    Tod hingerafft (»Lexikon der deutschen Geschichte«, S. 382). In
    England wird der Menschenverlust sogar auf 60 Prozent geschätzt
    (Hatcher, 1977, S. 71).

    158

    Abb. 24: Verluste.

    Der Rückgang der Be-
    völkerung in England
    von 1086 bis 1525 war
    zu Beginn der Kleinen
    Eiszeit im 14. Jh. Be-
    sonders stark. Allein
    durch die große Pest
    ging die Bevölkerung
    um 25 bis 30 Prozent
    zurück (Nordberg,
    1984, S. 32). Abbildung
    aus Heinsohn/Steiger
    (1985), nach Hatcher

    (1977).

    Im Auftrag Gregors V. wurden in den Jahren 1230 bis 1234 die so
    genannten Decretales verfasst, ein Kanon gegen die Empfängnisverhütung. Im Buch V, Kapitel 5, Abschnitt 12 heißt es: »Wer
    Zauberei verübt oder sterilisierende Gifte verabreicht, ist ein Mörder. Wenn jemand zur Befriedigung seiner Lust oder in bewuss-tem Hass einem Mann oder einer Frau etwas antut oder etwas zu
    trinken gibt, sodass er nicht zeugen oder sie nicht empfangen kann,
    oder keine Kinder geboren werden können, so soll er für den
    Mörder gehalten werden« (Noonan, 1969, S. 215). »Der durch die
    ›Hebammen geschädigte katholische Glaube‹ (»Hexenhammer«,
    Straßburg 1487) erweist sich also als Schädigung des größten
    Grundbesitzers Europas an der Quelle seines Reichtums, nämlich
    an seinen unfreien Arbeitskräften« (Heinsohn/Steiger, 1985, S.
    112).
    Die kirchlichen Interessen standen für die Wiederbeschaffung von
    Arbeitskräften und nicht für einen plötzlichen extremistischen
    Glaubenseifer. Mit dem Höhepunkt der Verknappung der Arbeits-
    kräfte um 1360 begann regional, jedoch noch nicht europaweit, die
    Tötung der Hexen in großer Zahl. Der Inquisitor Paramo stellte
    1404 mit Stolz fest, dass schon mehr als 30 000 Hexen verbrannt
    wurden und »wenn diese Hexen der Straflosigkeit sich erfreut hat-

    159

    ten, dann hätten sie die ganze Welt zu ihrem vollständigen Ruin ge-
    führt« (Poliakov, 1978, S. 43). Die Hexenprozesse fanden ihren Höhepunkt zwischen 1590 und 1630. Die letzten Hinrichtungen,
    meist Verbrennung bei lebendigem Leib, fanden in Glarus (1782)
    und Posen (1793) statt.
    An der Ausbreitung und den Exzessen der Hexenverfolgungen hatte die Schrift »Der Hexenhammer« (Malleus maleficarum, Straßburg 1487) der beiden Dominikaner Heinrich Institoris und Jakob
    Sprenger entscheidenden Anteil; sie wurde zum Strafkodex der Ge-
    richtspraxis in Mitteleuropa bis ins 17. Jh. und führte die Denunziation anstelle der Anklage und die Anwendung der Folter und Hexenprobe ein. Mit anderen Worten, das neu formulierte Ziel der
    Inquisition war eine staatlich überwachte Menschenproduktion.
    Gregor IX. zentralisierte 1231/32 die Inquisition in einer päpstli-
    chen Behörde, die von den Inquisitoren (vornehmlich Dominika-nern) verwaltet wurde. Von Anfang an verquickten sich mit der
    Ketzerverfolgung (beispielsweise auch des Templerordens) jedoch
    handfeste politische und wirtschaftliche Interessen.
    Die Hexenverfolgungen und die damit verbundenen Verfahren

Weitere Kostenlose Bücher