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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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können.
    »Der Berg hat zufällig den gleichen Namen wie dieser Raum oder der Vennesla-Fall: K2. Der zweithöchste Berg der Welt. The Savage Mountain . Zum Besteigen der härteste Berg, den es gibt. Auf jeden vierten Bergsteiger, der es geschafft hat, kommt einer, der bei dem Versuch umgekommen ist. Wir wollten damals den südlichen Teil des Berges besteigen, auch The Magic Line genannt. Das ist bis jetzt erst zweimal gelungen und wird von vielen als eine Art ritueller Selbstmord eingeschätzt. Beim geringsten Wetterwechsel sind Sie und der Berg eingehüllt in Schnee und Temperaturen, für die kein Mensch geschaffen ist, zumindest nicht, wenn einem weniger Sauerstoff als unter Wasser zur Verfügung steht. Und weil es sich um den Himalaya handelt, ist allen klar, dass es Wetterwechsel gibt . Und zwar andauernd.«
    Kurze Pause.
    »Warum wollte ich also ausgerechnet diesen Berg besteigen?«
    Neue Pause. Dieses Mal länger, als wartete er auf eine Antwort. Noch immer umspielte dieses Lächeln seine Lippen. Die Pause wurde lang. Zu lang, dachte Hagen. Polizisten sind keine Anhänger von theatralischer Effekthascherei.
    »Weil …«, Bellman klopfte mit dem Zeigefinger auf die Platte des Rednerpults, »… weil es der härteste Berg der Welt ist. Physisch und mental. Mit dem Aufstieg ist nicht eine Sekunde Freude verbunden, nur Probleme, totale körperliche Anstrengung, Angst, Höhenkrankheit, Sauerstoffmangel, lebensgefährliche Panik und eine noch gefährlichere Apathie. Und auf dem Gipfel angekommen, geht es nicht darum, den Triumph des Augenblicks zu genießen, sondern sich bloß den Beweis zu sichern, dass man wirklich dort war, und ein oder zwei Bilder zu machen. Man darf sich nicht dem Irrglauben hingeben, das Schlimmste überstanden zu haben, und abschalten, sondern man muss voll konzentriert bleiben, seine Arbeit machen, systematisch und programmiert wie ein Roboter und dabei die ganze Zeit die Situation einschätzen. Die ganze Zeit . Wie ist das Wetter? Welche Signale gibt der Körper? Wo befinden wir uns genau? Wie lange sind wir schon unterwegs? Wie geht es den anderen im Team?«
    Er trat einen Schritt vom Rednerpult zurück.
    »Denn der K2 leistet Widerstand und stemmt sich dir die ganze Zeit entgegen. Auch wenn es nach unten geht. Widerstand und Gegenwehr. Und genau deshalb wollten wir diesen Berg bezwingen.«
    Es war still im Raum. Vollkommen still. Kein demonstratives Gähnen oder Fußgescharre unter den Stühlen. Mein Gott, dachte Hagen, er hat sie.
    »Zwei Worte«, sagte Bellman. »Ausdauer und Zusammenhalt. Ursprünglich wollte ich noch Ambition nennen, aber dieses Wort ist nicht wichtig genug, hat im Vergleich zu den beiden anderen nicht genug Bedeutung. Vielleicht fragen Sie sich, was Ausdauer und Zusammenhalt nützen, wenn es weder ein Ziel noch Ambition gibt. Kampf um des Kampfes willen? Ehre ohne Belohnung? Ja, genau das. Kampf um des Kampfes willen. Ehre ohne Belohnung. Wenn in ein paar Jahren über den Vennesla-Fall geredet wird, dann wegen der Widrigkeiten und Hindernisse. Weil alles so unmöglich schien. Weil der Berg zu hoch war, das Wetter zu schlecht, die Luft zu dünn. Weil alles schiefging, was schiefgehen konnte. Und es wird die Geschichte dieser Widrigkeiten sein, die den Fall auf ein fast mystisches Niveau heben und zu einer der die Zeit überdauernden Lagerfeuergeschichten machen wird. Genau wie die meisten Bergsteiger es nicht einmal an den Fuß des K2 schaffen werden, kann man ein ganzes Leben als Ermittler führen, ohne jemals auf einen Fall wie diesen zu stoßen. Wäre dieser Fall nach wenigen Wochen gelöst gewesen, würde man sich schon in wenigen Jahren nicht mehr daran erinnern. Denn was haben alle legendären Kriminalfälle der Geschichte gemeinsam?«
    Bellman wartete. Nickte, als hätte man ihm die gewünschte Antwort gegeben, die er nun verkündete.
    »Sie haben Zeit erfordert, Widerstand geleistet.«
    Eine Stimme flüsterte neben Hagen: »Churchill, eat your heart out. « Er drehte sich zur Seite und sah Beate Lønn, die sich mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen neben ihn gestellt hatte.
    Er nickte kurz und sah in die Runde. Alte Tricks, vielleicht, aber sie wirkten noch immer. Wo er vor wenigen Minuten nur schwarzes, verkohltes Holz gesehen hatte, glühte es dank Bellman jetzt wieder. Hagen wusste aber, dass es nicht lange brennen würde, wenn die Resultate weiterhin ausblieben.
    Drei Minuten später war Bellman mit seiner Motivationsrede fertig und verließ breit

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