Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
hochgesteckten Haaren, hohen Schuhen und Knüppel.«
Er lachte leise.
»Warum hat sie …?«
»Für den Fall, dass jemand sie vergewaltigen wollte, hat sie gesagt.«
»Sie ist mit einem Schlagstock in die Stadt gegangen?« Katrine wog den Stock in der Hand. »Es wäre leichter, einfach einen Bogen um die Parks zu machen.«
»Im Gegenteil. Sie ist ja extra in die Parks gegangen. Immer wieder.«
»Wie bitte?«
»Sie ist immer ganz bewusst in den Vaterlandsparken gegangen. Um Nahkampf zu trainieren.«
»Sie hat es drauf angelegt, von einem Vergewaltiger überfallen zu werden, damit sie …«
»Damit sie ihn grün und blau prügeln kann, ja.« Leif Rødbekk präsentierte sein Wolfslächeln, während er Katrine so direkt ansah, dass sie sich nicht sicher war, wem sein nächster Satz galt: »Wirklich eine ganz besondere Frau.«
»Ja«, sagte Katrine und stand auf. »Und die muss ich jetzt finden.«
»Haben Sie es eilig?«
Falls Katrine bei dieser Frage ein gewisses Unwohlsein empfand, drang dies nicht bis in ihr Bewusstsein vor, bis sie sich an ihm vorbei durch die Tür geschoben hatte. Aber auf der Treppe auf dem Weg nach unten dachte sie: Nein, so verzweifelt bin ich noch nicht. Auch wenn der, auf den sie wartete, fürchterlich schwer von Begriff war und niemals die Initiative ergriff.
Die Lichter huschten über die Motorhaube und die Frontscheibe, als Harry durch den Svartdalstunnel fuhr. Er war nicht schneller, als er durfte, hatte es nicht eilig. Die Pistole lag neben ihm auf dem Sitz. Sie war geladen und hatte zwölf Makarov 9x18 mm im Magazin. Mehr als genug für das, was er sich vorgenommen hatte. Es kam nur darauf an, es zu tun. Er hatte sich ein Herz gefasst, aber würden auch seine Finger mitspielen?
Er hatte noch nie jemanden vorsätzlich erschossen. Kaltblütig. Aber es musste sein. Jemand musste diesen Job erledigen. So einfach war das.
Er legte die Hände fester um das Lenkrad. Schaltete einen Gang runter, als er aus dem Tunnel in das schwindende Tageslicht fuhr und die Straße anzusteigen begann. Als er das Telefon klingeln spürte, fischte er es mit einer Hand aus seiner Tasche und warf einen Blick auf das Display. Rakel. Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt für einen Anruf von ihr, es war eine unausgesprochene Abmachung, dass ihre Gesprächszeit erst abends nach zehn begann. Er konnte jetzt nicht mit ihr sprechen, war viel zu aufgeregt, und sie würde diese Aufregung spüren und ihn zur Rede stellen. Und lügen wollte er nicht. Nie wieder.
Er ließ das Telefon zu Ende klingeln, schaltete es aus und legte es neben die Pistole. Es gab nichts mehr zu bedenken, alle Gedanken waren zu Ende gedacht. Wenn er jetzt wieder Zweifel zuließ, musste er noch einmal ganz von vorne anfangen, den langen Weg noch einmal gehen, um doch wieder an diesem Punkt zu landen. Der Entschluss war gefasst, dass er davor zurückschreckte, war verständlich, aber nicht statthaft. Verdammt, verdammt! Er schlug auf das Lenkrad. Dachte an Oleg. An Rakel. Das half.
Er fuhr durch den Kreisverkehr und bog in Richtung Manglerud ab. Als er sich dem Block näherte, in dem Truls Berntsen wohnte, spürte er die Ruhe kommen. Endlich. So war es immer, wenn er die Schwelle überschritten hatte und es kein Zurück mehr gab. Er war jetzt im freien Fall, die bewussten Gedanken setzten aus, jetzt gab es nur noch vorprogrammierte Bewegungen, zielgerichtete Handlung und frisch geölte Routine. Aber es war verdammt lange her, und er war sich nicht ganz sicher, ob er das, was nötig war, noch in sich hatte. Doch, er hatte es in sich.
Er steuerte den Wagen ruhig über die Straße. Beugte sich vor und warf einen Blick an den Himmel. Bleigraue Wolken segelten heran wie eine Armada mit unbekannten Absichten. Er lehnte sich wieder zurück und sah die Hochhäuser die niedrigen Einfamilienhäuser überragen.
Er brauchte nicht über die Reihenfolge der einzelnen Schritte nachzudenken, um sicherzugehen, alles richtig in Erinnerung zu haben, oder seinen Herzschlag zu messen, um zu wissen, dass er sich dem Ruhepuls näherte.
Einen Augenblick lang schloss er die Augen und stellte sich die Situation bildlich vor. Und da kam es, das Gefühl, das er im Laufe seines Lebens als Polizist schon ein paarmal gehabt hatte. Angst. Die gleiche Angst, die er manchmal bei demjenigen wahrnahm, den sie jagten. Die Angst des Mörders vor seinem Spiegelbild.
Kapitel 42
T ruls Berntsen hob die Hüften und drückte den Kopf nach hinten in die Kissen. Er schloss die
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