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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Tat als mutmaßlicher Täter verhaftet worden war und das Beweismaterial diesen Verdacht stützte. Der Einzige …
    In der Stille hörte Harry noch immer das leise Ticken. Gleichmäßig wie ein Uhrwerk. Er dachte den Gedanken zu Ende.
    Der Einzige, der sich die Mühe gemacht hatte, in diesem unbedeutenden Drogenmord wirklich zu ermitteln, stand hier in diesem Raum. Er selbst.
    Er war – wie die anderen Polizisten – herbestellt worden, um an dem Tatort seines nicht gelösten Mordes zu sterben.
    In der nächsten Sekunde war er an der Tür und drückte die Klinke nach unten. Sie gab, wie er befürchtet hatte, widerstandslos nach. Er rüttelte an der Tür, ohne dass diese sich auch nur einen Millimeter bewegte. Sie war wie die Tür eines Hotelzimmers, für die er keine Schlüsselkarte hatte. Nicht einmal Scharniere gab es, die er losschrauben konnte.
    Harrys Blick schweifte wieder durch den Raum.
    Dicke, vergitterte Glasscheiben. Eine Eisentür, die von selbst ins Schloss gefallen war. Er war von seiner Jagd so berauscht gewesen, dass er wie ein Idiot direkt in die Falle getappt war.
    Das Ticken war nicht lauter geworden, es wirkte nur so.
    Harry starrte auf den Reisefernseher. Und auf die davontickenden Sekunden. Das war keine falsche Uhrzeit, die da angezeigt wurde, wie er anfangs gedacht hatte. Das war überhaupt keine Uhrzeit, denn die Uhr lief rückwärts.
    Bei seinem Kommen hatte da noch 00:06:10 gestanden, jetzt las er 00:03:51.
    Das war ein Countdown.
    Harry trat einen Schritt näher, legte seine Hände um den Fernseher und versuchte, ihn anzuheben. Vergeblich. Er war am Boden festgeschraubt. Er trat gegen den oberen Teil des Geräts, und die Plastikverkleidung löste sich mit einem Krachen. Drinnen sah er Metallröhren, Glastuben, Leitungen. Harry war definitiv kein Experte, aber er hatte genug Fernseher von innen gesehen, um zu erkennen, dass das Innenleben von diesem hier viel zu üppig war. Und genug Bilder von improvisierten Sprengkörpern, um eine Rohrbombe zu erkennen.
    Er warf einen Blick auf die Kabel und ließ den Gedanken gleich wieder fallen. Ein Bombenexperte von Delta hatte ihm erklärt, dass das mit den roten oder blauen Drähten, die man durchschneiden musste, um die Dinger außer Gefecht zu setzen, längst nicht mehr aktuell war. Der Teufel war mittlerweile im Digitalzeitalter angekommen und sandte seine Signale drahtlos über Bluetooth, Codewort oder Safeguards, die das Zählwerk sofort auf null setzten, wenn man an der Bombe herumzufingern begann.
    Harry nahm Anlauf und warf sich gegen die Tür. Vielleicht hatte der Rahmen ja irgendwelche Schwachpunkte.
    Er hatte keine.
    Und die Gitter vor den Fenstern auch nicht.
    Schultern und Rippen schmerzten, als er wieder auf die Beine kam. Er brüllte in Richtung Fenster.
    Aber wo kein Laut reinkam, kam auch kein Laut raus.
    Dann nahm er sein Handy. Die Kriminalwache. Delta. Sie konnten die Tür sprengen. Er sah auf die Uhr des Fernsehers. Drei Minuten und vier Sekunden. Sie würden kaum die Adresse weitergeben können. Zwei Minuten und neunundfünfzig Sekunden. Er starrte auf das Kontaktverzeichnis. R.
    Rakel.
    Sie anrufen. Abschied nehmen. Von ihr und Oleg. Ihr sagen, wie sehr er sie liebte. Und dass sie leben sollten. Ein besseres Leben, als er es ihnen hätte geben können. Die letzten zwei Minuten mit ihnen zusammen sein. Nicht allein sterben. Gesellschaft haben, das letzte traumatische Erlebnis mit ihnen teilen, sie den Tod schmecken lassen, ihnen einen letzten Alptraum mit auf den Weg geben.
    »Verdammte Scheiße!«
    Harry ließ das Handy wieder in seine Tasche gleiten. Und sah sich um. Die Türen waren entfernt worden, damit es kein Versteck gab, wo er sich in Sicherheit bringen konnte.
    Zwei Minuten und vierzig Sekunden.
    Harry trat in die Küche, die den kurzen Teil der L-förmigen Wohnung ausmachte. Sie war nicht tief genug, eine Rohrbombe dieser Größe würde auch hier alles zerschmettern.
    Dann fiel sein Blick auf den Kühlschrank. Er öffnete ihn. Ein Milchkarton, zwei Flaschen Bier und eine Dose Leberwurst. Einen Moment lang wog er die Alternativen Bier oder Panik ab, ehe er sich für die Panik entschied, die Ablageflächen, Glasplatten und Gemüsefächer herausriss. Es schepperte hinter ihm auf dem Boden. Er kauerte sich zusammen und versuchte, in den Kühlschrank zu kriechen. Stöhnte. Konnte den Nacken nicht genug beugen, um ganz hineinzupassen. Versuchte es noch einmal. Verfluchte seine langen Glieder, während er sie so

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