Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
es passierte ja immer etwas. Kinder, die den Bügel an den Hinterkopf kriegten, Anfänger, die aus der Spur flogen, wenn der Lift mit einem Ruck loslegte, den Bügel dann aber nicht losließen, so dass sie auf dem Rücken liegend den Berg nach oben geschleift wurden, oder Idioten, die sich produzieren wollten und weit aus der Spur fuhren, um bei der Fahrt an den Waldrand zu pinkeln, und sich dabei die Kreuzbänder lädierten.
Er durchsuchte die Schränke. Die Stange war etwa einen Meter lang, aus Metall und wie ein Speer angespitzt, damit man sie in den harten, eisigen Schnee bohren konnte. Stian schob vergessene Handschuhe, Mützen und Skibrillen zur Seite. Im nächsten Schrank fand er den Feuerlöscher, einen Putzeimer samt Aufnehmer, die Erste-Hilfe-Tasche und eine Taschenlampe, aber keine Stange.
Es war natürlich möglich, dass sie die vor der Hütte vergessen hatten, nachdem sie den Lift ausgeschaltet hatten.
Er nahm die Taschenlampe mit, ging nach draußen und lief einmal um die Hütte herum. Doch er konnte keine Stange finden. Verdammt, wer klaute die Stange, ließ aber die Liftkarten liegen? Stian glaubte etwas zu hören, drehte sich zum Waldrand um und leuchtete mit der Taschenlampe zwischen die Bäume.
Ein Vogel? Ein Eichhörnchen? Manchmal kamen auch Elche hier herunter, aber die versteckten sich dann nicht. Wenn er nur diesen blöden Lift abschalten könnte, um besser hören zu können.
Als er zurück in der Hütte war, spürte er, dass ihm drinnen wohler war. Er nahm den zerbrochenen Schalter, legte die Teile um den Metallstift und versuchte, ihn zu drehen, aber sie rutschten immer wieder auseinander.
Er sah auf die Uhr. Es war bald Mitternacht. Er hätte gerne noch die Golfrunde in Augusta zu Ende gespielt, bevor er ins Bett ging. Einen Moment lang überlegte er, den Verbandschef anzurufen. Verdammt, er musste doch nur diesen blöden Stift um neunzig Grad drehen!
Sein Kopf zuckte automatisch hoch, und sein Herz setzte aus.
Es war so schnell gegangen, dass er sich nicht sicher war, ob es wirklich geschehen war, aber was auch immer das gewesen war – ein Elch war es nicht . Stian wählte die Nummer des Verbandschefs, aber seine Finger tippten immer wieder auf die falschen Tasten.
»Ja?«
»Hier ist Stian. Jemand ist eingebrochen und hat den Schalter kaputtgemacht. Und die Stange mit der Notabschaltung ist weg. Ich kann den Lift nicht ausschalten.«
»Und der Sicherungsschrank?«
»Verschlossen und der Schlüssel ist weg.«
Er hörte den Mann leise fluchen. Dann hielt er die Luft an und sagte: »Bleib da, ich komme!«
»Bring eine Zange und so was mit.«
»Zange und so was«, wiederholte der Verbandschef, ohne seine Verachtung zu verbergen.
Stian hatte längst eingesehen, dass der Respekt dieses Mannes immer proportional zu dem Rang auf der Ergebnisliste war. Er steckte das Handy in die Tasche und starrte nach draußen ins Dunkel. Dann dachte er, dass alle ihn sehen konnten, wenn in der Hütte Licht brannte, er aber nichts sah. Er stand auf, zog die Tür mit einem Ruck zu, schaltete das Licht aus und wartete. Die leeren Bügel kamen von oben zu ihm herunter und schienen zu beschleunigen, wenn sie um das Rad am Ende des Lifts gezogen wurden, ehe sie die Reise zurück nach oben antraten.
Stian blinzelte.
Dann kam ihm etwas in den Sinn. Warum hatte er nicht daran gedacht?
Er drehte alle Schalter auf dem Kontrollpanel herum, und mit dem Flutlicht schallte Jay-Zs Empire State of Mind aus den Lautsprechern durch das Tal. So, jetzt war es hier oben wenigstens nicht mehr so totenstill.
Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch und sah noch einmal auf den Metallstift. Ganz oben hatte er ein Loch. Er stand auf, nahm die Schnur, die an der Seite des Sicherungsschranks hing, legte sie doppelt und fädelte sie durch das Loch. Dann legte er sie einmal um den Stift und zog vorsichtig. Das könnte funktionieren. Er zog fester. Der Faden hielt. Noch fester und der Stift bewegte sich, schließlich ruckte er mit aller Kraft an dem Faden.
Das Geräusch des Liftmotors erstarb mit einem langgezogenen Seufzer, gefolgt von einem leisen Pfeifen.
»There, motherfucker!« , rief Stian.
Er nahm das Telefon, um den Verbandschef anzurufen und ihm zu sagen, dass er den Auftrag nun doch ausgeführt hatte. Dann kam ihm in den Sinn, dass es ihm sicher nicht recht sein würde, wenn er mitten in der Nacht lautstark Rap hörte, und er schaltete die Musik aus.
Er lauschte dem Klingeln des Telefons, das plötzlich
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