Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
und das macht ihn zu einem von ihnen.«
»Pflicht? Was für eine Pflicht?«
»Die Pflicht, Mörder zu fassen und sie zu verurteilen. Er weiß, wer Gusto Hanssen getötet hat. Sie sehen überrascht aus, Rakel. Ich habe mir den Fall angesehen, und eine Sache ist klar: Wenn Oleg ihn nicht selbst umgebracht hat, weiß er zumindest, wer der Schuldige ist. Etwas anderes ist logisch betrachtet nicht möglich. Hat Harry Ihnen das nicht erzählt? Oleg war da, als Gusto ermordet wurde, Rakel. Und wissen Sie, was ich dachte, als ich Gusto auf den Tatortfotos gesehen habe? Wie schön er war. Er und René, das waren junge Menschen, die ihr Leben noch vor sich hatten.«
»Das gilt für meinen Jungen auch! Bitte, Arnold, Sie müssen das nicht tun.«
Als sie einen Schritt auf ihn zuging, hob er die Pistole an. Und zielte nicht auf sie, sondern auf Oleg.
»Machen Sie sich keine Sorgen, Rakel, Sie werden auch sterben. Sie sind selbst kein Ziel, aber eine Zeugin, die ich beseitigen muss.«
»Harry wird Sie entlarven. Und er wird Sie töten.«
»Es tut mir leid, Ihnen so viel Schmerz zufügen zu müssen, Rakel, ich mag Sie wirklich. Aber ich denke, ich sollte Ihnen sagen, dass Harry niemanden mehr entlarven wird. Ich fürchte, er ist bereits tot.«
Rakel starrte ihn ungläubig an. Es tat ihm wirklich leid. Das Telefon auf dem Tisch leuchtete plötzlich auf und gab einen einzelnen Pfeifton von sich. Sie warf einen Blick darauf.
»Sieht so aus, als würden Sie sich irren«, sagte sie.
Arnold Folkestad runzelte die Stirn. »Geben Sie mir das Telefon.«
Rakel nahm es und reichte es ihm. Er drückte den Lauf der Pistole in Olegs Nacken, während er sich das Handy schnappte. Er las schnell, bevor sein Blick wieder zu Rakel zuckte.
Lass Oleg das Geschenk nicht sehen.
»Was soll das denn heißen?«
Rakel zuckte mit den Schultern. »Auf jeden Fall, dass er lebt.«
»Unmöglich. Sie haben im Radio gesagt, dass meine Bombe hochgegangen ist.«
»Wollen Sie nicht lieber abhauen, Arnold? Bevor es zu spät ist?«
Folkestad blinzelte nachdenklich, während er sie anstarrte. Durch sie hindurchstarrte.
»Verstehe. Jemand ist Harry zuvorgekommen. Ist in die Wohnung gegangen, und dann … Kaboom . Klar.« Er lachte kurz. »Harry kommt jetzt von da, oder? Er ahnt nichts Böses. Ich kann euch vorher erschießen und dann einfach darauf warten, dass er zur Tür hereinkommt.«
Er sah aus, als ginge er diese Gedanken noch einmal durch, und nickte. Dann richtete er die Waffe auf Rakel.
Oleg zerrte auf dem Stuhl an seinen Fesseln, versuchte sich zu befreien und stöhnte verzweifelt in den Knebel. Rakel starrte in die Mündung der Pistole. Spürte, dass ihr Herz aussetzte. Als hätte ihr Kopf das Unausweichliche akzeptiert und würde langsam abschalten. Sie hatte keine Angst mehr. Sie wollte sterben. Für Oleg. Vielleicht war Harry ja hier, bevor … Vielleicht konnte er Oleg ja noch retten. Denn sie wusste etwas. Sie schloss die Augen. Wartete auf etwas, von dem sie nicht wusste, was es war. Ein Schlag, ein Stich, ein Schmerz. Das Dunkel. Sie hatte keine Götter, zu denen sie beten konnte.
Schlüssel klirrten im Schloss.
Sie öffnete die Augen.
Arnold hatte die Waffe gesenkt und starrte auf die Tür.
Eine kleine Pause. Dann begannen die Schlüssel erneut zu klirren.
Arnold trat einen Schritt zurück, nahm die Decke vom Sessel und warf sie über Oleg, so dass er und der Stuhl verdeckt waren.
»Lass dir nichts anmerken«, flüsterte er. »Ein Wort, und ich schieße deinem Sohn eine Kugel in den Nacken.«
Es klirrte zum dritten Mal. Arnold hatte hinter dem Stuhl Stellung bezogen, so dass die Pistole vom Hauseingang aus nicht zu sehen war.
Dann ging die Tür auf.
Und da stand er. Groß, mit breitem Lächeln, offener Jacke und kaputtem Gesicht.
»Arnold!«, rief er freudestrahlend. »Wie nett, dich zu sehen!«
Arnold antwortete mit einem Lachen. »Wie siehst du denn aus, Harry? Was ist passiert?«
»Der Polizeischlächter. Eine Bombe.«
»Wirklich?«
»Nichts Ernstes. Was führt dich her?«
»Ach, ich war einfach in der Gegend. Und da kam mir in den Sinn, dass wir noch ein paar Termine absprechen sollten. Vielleicht kannst du dir das gerade mal eben anschauen?«
»Nicht bevor ich diese Dame da richtig in die Arme genommen habe«, sagte er und breitete die Arme aus, in die Rakel sich warf. »Wie war dein Flug, Liebste?«
Arnold räusperte sich. »Wäre nett, wenn Sie ihn wieder loslassen würden, Rakel, ich habe heute Abend noch
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