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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Bis die Juristen entschieden hatten, welche Konsequenzen es haben musste, dass ein Polizist Geld erhalten hatte, dessen Herkunft er nicht preisgeben wollte. Mikael hatte sogar dafür gesorgt, dass Truls einige seiner Zulagen behielt. Nicht deshalb ging er also zu einem billigen Friseur. Er war schon immer hierhergegangen. Es gefiel ihm, exakt die gleiche Frisur zu haben wie der Araber neben ihm. Die Terroristentolle.
    »Worüber lachst du, Freund?«
    Truls verstummte abrupt, als er das Grunzen hörte, dem er seinen Spitznamen Beavis verdankte. Mikael hatte ihm diesen Namen verpasst. Während eines Fests auf der weiterführenden Schule hatte er zur Belustigung aller lauthals rausposaunt, dass Truls dieser Zeichentrickfigur von MTV wirklich wie ein Ei dem anderen glich und sich sogar so anhörte! War Ulla damals dabei gewesen? Oder hatte Mikael seinen Arm damals um ein anderes Mädchen gelegt? Ulla mit dem zarten Blick, dem weißen Pullover, der schlanken Hand, die sie einmal in seinen Nacken gelegt und ihm etwas ins Ohr gebrüllt hatte, um das Dröhnen der Kawasakis an einem Sonntag in Bryn zu übertönen. Dabei wollte sie natürlich nur wissen, wo Mikael war. Trotzdem spürte er noch immer die Wärme dieser Hand, es hatte sich angefühlt, als wollte diese Hand ihn zum Schmelzen bringen, und an diesem Vormittag auf der Autobahnbrücke wäre er fast in die Knie gegangen. Der warme Atem an seinem Ohr und an seiner Wange hatte all seine Sinne in Spannung versetzt, so dass er – obwohl sie in einer Wolke aus Benzin, Abgasen und verbranntem Gummi der unter ihnen durchrasenden Motorräder standen – die Marke ihrer Zahncreme erkennen konnte, dass ihr Lipgloss nach Erdbeeren schmeckte und ihr Pullover mit Milo gewaschen worden war. Und dass Mikael sie geküsst und sie gehabt hatte. Oder hatte er sich das nur eingebildet? Auf jeden Fall erinnerte er sich, dass er ihr geantwortet hatte, nicht zu wissen, wo Mikael sei. Obwohl er es ganz genau wusste und ein Teil von ihm es ihr gerne erzählt hätte, um ihren sanften, reinen, unschuldigen und gutgläubigen Blick zu brechen, und um ihn, Mikael, zu zerstören.
    Aber natürlich hatte er es nicht getan.
    Warum sollte er? Mikael war sein bester Freund. Sein einziger Freund. Und was hätte er damit erreicht, wenn er ihr gesagt hätte, dass Mikael oben bei Angelica war? Ulla konnte jeden haben, den sie wollte, und ihn, Truls, wollte sie nicht. Solange sie mit Mikael zusammen war, hatte er wenigstens die Möglichkeit, in ihrer Nähe zu sein. Doch ja, er hätte die Gelegenheit gehabt, aber kein Motiv.
    Damals nicht.
    »Gut so, Freund?«
    Truls sah seinen eigenen Hinterkopf in dem runden Plastikspiegel, den der Homofriseur hochhielt. Terroristencut mit Selbstmordattentäterscheitel. Er grunzte, stand auf und legte zwei Hunderter auf die Zeitung, um keinen Körperkontakt zu riskieren. Dann ging er raus in den März, der weiterhin nichts anderes war als ein unbestätigtes Frühlingsgerücht. Er warf einen Blick hoch zum Polizeipräsidium. Quarantäne. Dann ging er in Richtung U-Bahnhof Grønland. Das Haareschneiden hatte neuneinhalb Minuten gedauert. Er hob den Kopf, ging schneller. Dabei hatte er nichts vor. Nichts. Doch, etwas gab es zu tun. Aber das verlangte nur, wovon er reichlich hatte: Zeit zu planen, Hass und die Bereitschaft, alles zu verlieren. Er warf einen Blick in das Schaufenster eines Asia-Ladens und konstatierte, dass er endlich aussah, wie er war.
    Gunnar Hagen starrte auf die Tapete an der Wand über dem leeren Stuhl des Polizeipräsidenten. Sein Blick klebte an den dunklen Feldern. Solange er denken konnte, hatten dort die immer gleichen Bilder gehangen. Fotografien früherer Polizeipräsidenten, die sicher als Inspiration gedacht waren, doch Mikael Bellman schien gut auf die inquisitorischen Blicke seiner Vorgänger verzichten zu können.
    Hagen wollte mit den Fingern auf die Armlehne trommeln. Aber es gab keine Armlehne, auf die er trommeln konnte. Bellman hatte auch die Stühle austauschen lassen. Jetzt gab es nur noch harte, ungemütliche Holzstühle. Hagen war zu ihm bestellt worden, und der Assistent im Vorzimmer hatte ihn hereingebeten und gesagt, der Polizeipräsident käme gleich.
    Die Tür ging auf.
    »Da bist du ja!«
    Bellman ging um seinen Schreibtisch herum, ließ sich auf seinen Stuhl fallen und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf.
    »Gibt es Neuigkeiten?«
    Hagen räusperte sich. Bellman weiß ganz genau, dass es nichts Neues gibt, dachte er,

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