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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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schließlich hatte er die Order, ihn fortlaufend über alle Entwicklungen im Zusammenhang mit den beiden Mordfällen zu informieren. Ergo hatte er ihn kaum deshalb vorgeladen. Aber er tat, um was er gebeten worden war, und erklärte, dass sie noch immer keine konkreten Spuren hatten, mal von der offensichtlichen Tatsache abgesehen, dass es sich bei beiden Opfern um Polizisten handelte, die an den Tatorten früherer, unaufgeklärter Morde gefunden worden waren, an deren Ermittlungen sie selbst beteiligt gewesen waren.
    Bellman stand mitten in Hagens Ausführungen auf und stellte sich mit dem Rücken zu ihm ans Fenster. Er wippte auf den Zehenspitzen und tat einen Moment lang so, als hörte er ihm zu. Dann unterbrach er ihn.
    »Hagen, du musst diesen Fall lösen!«
    Gunnar Hagen hielt inne und wartete auf eine Fortsetzung.
    Bellman drehte sich um. Die weißen Pigmentflecken in seinem Gesicht schimmerten leicht rosa.
    »Ich weiß aber nicht, ob du die Prioritäten richtig setzt. Ist es richtig, im Reichshospital rund um die Uhr Wachen zu blockieren, wenn ehrliche Polizisten ermordet werden? Solltest du nicht die gesamte Mannschaft für die Ermittlungen einsetzen?«
    Hagen sah Bellman überrascht an. »Die Leute im Krankenhaus sind nicht von uns. Die stammen von der Wache Oslo Zentrum, ergänzt durch Polizeischulstudenten im Praktikum. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Ermittlungen darunter leiden, Mikael.«
    »Nicht?«, fragte Bellman, ohne sich umzudrehen. »Ich will trotzdem, dass du diese Personenschutzmaßnahme noch einmal überdenkst. Ich sehe nach so vielen Monaten wirklich keine akute Gefahr mehr für das Leben dieses Patienten. Außerdem ist inzwischen wohl allen klar, dass er nie mehr dazu in der Lage sein wird, irgendetwas zu bezeugen.«
    »Im Gegenteil, es gibt Anzeichen der Besserung.«
    »Diese Sache hat keine Priorität mehr.« Die Antwort des Polizeipräsidenten kam schnell, fast aggressiv. Dann atmete er tief durch und setzte wieder sein charmantes Lächeln auf: »Aber der Personenschutz ist natürlich deine Sache. Ich will mich da wirklich nicht einmischen. Verstanden?«
    Hagen hätte am liebsten ganz spontan mit »Nein« geantwortet, es gelang ihm aber, sich zurückzuhalten. Er nickte nur kurz und versuchte in Gedanken zu ergründen, was Bellman eigentlich wollte.
    »Gut«, sagte Bellman und klatschte in die Hände. Das war sein Signal, dass die Besprechung zu Ende war. Hagen wollte aufstehen – ebenso desorientiert wie bei seinem Kommen –, blieb aber sitzen.
    »Wir haben uns Gedanken über eine andere Vorgehensweise gemacht.«
    »Ach ja?«
    »Ja«, sagte Hagen. »Wir denken darüber nach, die Ermittlungsgruppe in mehrere kleinere Einheiten aufzuteilen.«
    »Warum das?«
    »Um alternativen Ideen mehr Raum zu bieten. Große Gruppen haben Kapazitäten, sind aber nur selten dazu geeignet, in neuen Bahnen zu denken.«
    »Und es muss in … neuen Bahnen gedacht werden?«
    Hagen überhörte den Sarkasmus. »Wir drehen uns im Kreis und starren schon so lange auf die gleichen Sachen, dass wir betriebsblind geworden sind.«
    Hagen sah sein Gegenüber an. Als ehemaliger Ermittler kannte Bellman dieses Phänomen nur zu gut: Die Gruppe verbiss sich an den Ausgangspunkten, Vermutungen wurden zu Fakten, und die Gruppe verlor die Fähigkeit, alternative Hypothesen aufzustellen. Trotzdem schüttelte Bellman den Kopf.
    »Kleine Gruppen haben weniger Durchschlagskraft, Hagen. Wer die Verantwortung hat, ist unklar, man steht sich gegenseitig im Weg, und die gleiche Arbeit wird mehrfach gemacht. Eine große, gut koordinierte Gruppe ist immer besser. Auf jeden Fall, solange sie einen starken, guten Leiter hat …«
    Hagen spürte die Unebenheiten auf der Oberseite seiner Backenzähne, als er sie zusammenbiss, und hoffte, dass man ihm nicht ansah, wie sehr Bellmans Unterstellung ihn traf.
    »Aber …«
    »Wenn ein Leiter die Taktik ändert, wird das oft als Verzweiflungstat gedeutet, das ist dann schon fast so etwas wie das Eingeständnis seines Scheiterns.«
    »Aber wir sind gescheitert, Mikael. Es ist März. Seit dem ersten Mord sind sechs Monate vergangen!«
    »Keiner folgt einem Leiter, der versagt hat, Hagen.«
    »Meine Mitarbeiter sind weder blind noch dumm, die wissen ganz genau, dass wir auf der Stelle treten. Und sie wissen auch, dass gute Leiter in solchen Situationen die Fähigkeit haben müssen, einen neuen Kurs einzuschlagen.«
    »Gute Leiter wissen, wie sie ihre Mannschaft motivieren

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