Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
die Polizei würde mir die immer gleichen Fragen stellen, sobald jemand vergewaltigt worden war, bloß weil er mal in einem Fall verdächtigt worden war, den sie nie aufgeklärt hatten. Und dass sie versuchen würden, ihn einzubuchten, wenn er bei einem neuen Fall kein Alibi hätte. Egal, wie unschuldig er war. Er meinte, die Polizei würde das bei Leuten, die sie bei anderen Fällen nicht überführen konnten, immer so machen. Ich musste schwören, dass er zu Hause gewesen war, egal, nach welchem Zeitpunkt sie fragten. Das würde uns eine Menge Ärger und Zeit ersparen, meinte er. Makes sense , dachte ich.«
»Und Sie haben wirklich geglaubt, dass er nichts mit den Vergewaltigungen zu tun hatte?«, fragte Katrine. »Obwohl Sie wussten, dass er früher schon vergewaltigt hatte?«
»Das wusste ich doch nicht!«, rief Irja, und aus dem Wohnzimmer drang ein leises Grunzen zu ihnen. »Verdammt, ich wusste nichts davon!«
Katrine wollte den Druck erhöhen, als sie Beates Hand unter dem Tisch auf ihrem Knie spürte.
»Irja«, sagte Beate mit weicher Stimme. »Wenn Sie nichts wussten, warum wollen Sie dann jetzt mit uns sprechen?«
Irja sah zu Beate, während sie sich eingebildete Tabakkrümel von der Zungenspitze zupfte, nachdachte und schließlich einen Entschluss fasste.
»Er ist dann ja verurteilt worden. Wegen versuchter Vergewaltigung, nicht wahr? Und als ich die Wohnung geputzt habe, um sie wieder vermieten zu können, fand ich diese … diese …« Es war, als hätte ihre Stimme sich ohne jede Vorwarnung festgefahren. Sie kam nicht weiter. »… Diese …« Tränen stiegen in ihre großen, blutunterlaufenen Augen.
»Diese Bilder.«
»Was für Bilder?«
Irja schniefte. »Mädchen. Junge Mädchen, fast noch Kinder. Gefesselt, mit so Dingern vor dem Mund …«
»Kugeln, Knebel?«
»Knebel, ja. Sie hockten auf Stühlen oder Betten, und auf den Laken war Blut.«
»Und Valentin?«, fragte Beate. »War auch er auf den Bildern zu sehen?«
Irja schüttelte den Kopf.
»Dann könnten sie doch gestellt gewesen sein?«, sagte Katrine. »Im Netz kursieren viele sogenannte Vergewaltigungsfotos von professionellen Fotografen und Models, die für Leute gemacht werden, die sich für so was interessieren.«
Irja schüttelte wieder den Kopf. »Dafür hatten die zu viel Angst. Das sah man an ihren Augen. Ich … ich habe die Angst darin wiedererkannt, wenn Valentin … wenn er wollte … dass …«
»Was Katrine sagen wollte, ist, dass nicht Valentin diese Fotos gemacht haben muss.«
»Die Schuhe«, schniefte Irja.
»Was?«
»Valentin trug immer so lange, spitze Cowboystiefel mit Schnallen an den Seiten. Auf einem der Bilder sieht man diese Schuhe neben dem Bett stehen. Und da ist mir klargeworden, dass er vielleicht doch der Vergewaltiger sein könnte, für den alle ihn hielten. Aber das war noch nicht das Schlimmste …«
»Nicht?«
»Man sieht die Tapete hinter dem Bett. Und es ist die Tapete, das gleiche Muster. Das Foto ist unten in meiner Kellerwohnung aufgenommen worden. In dem Bett, in dem er und ich …« Sie presste die Augen zusammen und rang sich zwei winzige Tränen ab.
»Was haben Sie dann gemacht?«, fragte Katrine.
»Was glauben Sie denn?«, fauchte Irja und wischte sich mit dem Unterarm die laufende Nase ab. »Ich bin zu euch gegangen! Ihr sollt uns doch beschützen.«
»Und was haben wir gesagt?«, fragte Katrine, ohne ihren Widerwillen verbergen zu können.
» Ihr habt gesagt, dass ihr die Sache überprüfen werdet, und seid mit den Bildern zu Valentin gegangen. Aber der hatte natürlich irgendeine plausible Erklärung dafür. Behauptete, das alles sei bloß ein freiwilliges Spielchen gewesen und dass er sich an die Namen der Mädchen nicht erinnern könne. Er hätte sie danach nie mehr wiedergesehen. Er wollte dann noch wissen, ob ihn eins dieser Mädchen angezeigt habe, und weil sie das nicht hatten, war’s das. Das heißt, für euch . Für mich hat es damit aber erst angefangen …«
Sie fuhr sich mit dem Zeigefingerknöchel vorsichtig unter den Augen entlang. Vermutlich glaubte sie, sich geschminkt zu haben.
»Ach?«
»Die dürfen in Ila einmal pro Woche telefonieren. Ich bekam eine Nachricht, dass er mit mir reden wollte, und habe ihn besucht.«
Katrine brauchte die Fortsetzung gar nicht zu hören.
»Ich saß im Besucherraum und wartete auf ihn. Und als er hereinkam, sah er mich nur an und es fühlte sich an, als würde er mich würgen. Verdammt, ich kriegte einfach
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