Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
unwiderstehlicher Körper ist, auf den du es abgesehen hast, dann muss es was anderes sein …« Er hob den Zeigefinger. »Ich hab’s: Mein brillanter Kopf!«
»Du bist mit den Jahren auch nicht witziger geworden, Harry.«
»Die Antwort ist aber noch immer Nein. Und das weißt du auch.«
»Hast du ein Büro, in dem wir uns unterhalten können?«
»Ja und nein. Ich habe ein Büro, aber keins, in dem wir darüber diskutieren können, ob ich euch bei diesem Mord helfe.«
»Diesen Morden.«
»Dass das ein Fall ist, habe ich auch schon begriffen.«
»Faszinierend, nicht wahr?«
»Versuch es gar nicht erst. Mit dem Leben bin ich fertig, und das weißt du.«
»Harry, dieser Fall braucht dich wirklich. Und du brauchst diesen Fall.«
Dieses Mal erreichte sein Lächeln seine Augen nicht. »Einen Mord brauche ich ebenso wenig wie einen Drink, Katrine. Sorry. Spar dir deine Zeit und fahr zum Nächsten.«
Sie sah ihn an. Dachte, dass der Vergleich mit dem Drink verdammt schnell gekommen war. Und das bestätigte, was sie schon befürchtet hatte: Harry hatte Angst. Er fürchtete, dass schon ein Blick in die Akten die gleiche Konsequenz haben würde wie ein Tropfen Alkohol. Er würde nicht mehr aufhören können, sondern mit Haut und Haaren in den Fall hineingezogen und gefressen werden. Einen Moment hatte sie ein schlechtes Gewissen. Wie ein Dealer, der plötzlich unter einem Anfall von Selbstverachtung litt. Bis sie wieder die Bilder der Tatorte vor sich sah. Anton Mittets zerschmetterten Schädel.
»Es gibt keinen Nächsten, Harry.«
»Ich kann dir ein paar Namen nennen«, sagte Harry. »Da gibt es so einen Typen, der gemeinsam mit mir bei diesem FBI- Kurs war. Ich kann ihn anrufen und …«
»Harry …« Katrine nahm seinen Arm und führte ihn zur Tür. »Gibt es in deinem Büro einen Kaffee?«
»Schon, aber wie gesagt …«
»Vergiss es, reden wir einfach über alte Zeiten.«
»Hast du dafür Zeit?«
»Ich brauche Abwechslung.«
Er musterte sie. Wollte etwas sagen, entschied sich dann aber dagegen. Nickte. »Okay.«
Sie gingen über eine Treppe nach oben und kamen auf einen Flur, von dem rechts und links Büros abzweigten.
»Wie ich eben hören konnte, bedienst du dich auch bei Ståle Aunes Psychologievorlesungen«, sagte Katrine. Sie musste wie gewöhnlich rennen, um mit Harrys Siebenmeilenschritten mitzuhalten.
»So viel wie nur möglich, schließlich ist er der Beste.«
»Wie die Tatsache, dass die Bezeichnung verrückt eine der wenigen exakten Bezeichnungen in der Medizin ist. Intuitiv verständlich und zugleich poetisch. Dass die präzisen Bezeichnungen aber immer ausrangiert werden, weil irgendwelche Fachidioten der Meinung sind, die sprachliche Vernebelung sei das Beste für das Wohlergehen des Patienten.«
»Genau«, sagte Harry.
»Deshalb bin ich auch nicht mehr manisch-depressiv oder Borderline, bloß Bipolar II. «
»Zwei?«
»Verstehst du? Warum macht nicht Aune diese Vorlesung? Ich dachte, er liebt so etwas.«
»Er wollte ein besseres Leben. Ein einfacheres. Mehr Zeit mit seiner Familie. Eine kluge Entscheidung.«
Sie sah ihn von der Seite an. »Ihr solltet ihn überreden. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, auf ein derart überlegenes Talent zu verzichten, das so dringend gebraucht wird. Findest du nicht auch?«
Harry lachte kurz. »Du gibst nicht so schnell auf, oder? Ich glaube, ich werde hier gebraucht, Katrine. Und die Hochschule kontaktiert Aune nicht, weil sie hier mehr Lehrer in Uniform haben wollen, keine Zivilisten.«
»Du trägst keine Uniform.«
»Da sagst du was. Ich bin ja auch nicht mehr bei der Polizei, Katrine. Das war meine Entscheidung. Was auch bedeutet, dass ich, wir, jetzt an einem anderen Punkt sind.«
»Woher hast du die Narbe an der Stirn?«, fragte sie und sah, dass Harry kaum merklich, aber unmittelbar zusammenzuckte. Doch noch bevor er antworten konnte, ertönte hinter ihnen eine klangvolle Stimme.
»Harry!«
Sie blieben stehen und drehten sich um. Ein kleiner, rundlicher Mann mit rotem Vollbart kam aus einem der Büros und näherte sich ihnen mit leicht schwankendem Gang. Katrine folgte Harry, der dem Älteren entgegenging.
»Du hast Besuch«, donnerte der Mann schon von weitem.
»Ja, stimmt«, sagte Harry. »Katrine Bratt. Und das hier ist Arnold Folkestad.«
»Ich meinte, dass du Besuch in deinem Büro hast«, sagte Folkestad, blieb stehen und atmete ein paarmal tief durch, ehe er Katrine Bratt eine große sommersprossige Hand
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