Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
reichte.
»Arnold und ich wechseln uns mit den Vorlesungen über Mordermittlungen ab«, sagte Harry.
»Und da er über den unterhaltsamen Teil des Fachs sprechen darf, ist er natürlich der Beliebtere von uns beiden«, brummte Folkestad. »Während ich sie dann in die Realität zurückholen und über Methode, Technik, Ethik und Regelwerk dozieren muss. Die Welt ist ungerecht.«
»Dafür kennt Arnold sich aber auch besser mit Pädagogik aus«, sagte Harry.
»Ach, unser Frischling macht sich«, amüsierte sich Folkestad.
Harry zog die Stirn in Falten. »Dieser Besuch, das ist doch wohl nicht …?«
»Beruhig dich, es ist nicht Fräulein Gravseng, bloß ein paar alte Kollegen. Ich habe ihnen schon mal Kaffee angeboten.«
Harry sah Katrine scharf an. Dann drehte er sich um und marschierte auf seine Bürotür zu. Katrine und Folkestad blickten ihm nach.
»Habe ich was Falsches gesagt?«, fragte Folkestad überrascht.
»Ich verstehe ja, dass man das hier als Treibjagd auffassen könnte«, sagte Beate und führte die Kaffeetasse an ihre Lippen. »Willst du damit etwa sagen, dass das keine Treibjagd ist?«, fragte Harry und kippte seinen Stuhl so weit nach hinten, wie das in dem winzigen Büro möglich war. Auf der anderen Seite des Schreibtisches hatten Beate Lønn, Bjørn Holm und Katrine Bratt ihre Stühle in den Raum gezwängt und flankiert von hohen Papierstapeln Platz genommen. Die Begrüßungsrunde war schnell überstanden gewesen, kurzes Händeschütteln, keine Umarmungen. Nicht einmal der Versuch von Small Talk. Harry Hole lud zu so etwas nicht ein. Bei ihm kam man gleich zur Sache. Und dass er wusste, worum es ging, war ihnen klar.
Beate nahm einen Schluck, zuckte unwillkürlich zusammen und stellte den Plastikbecher mit missbilligender Miene weg.
»Ich weiß, dass du dich entschieden hast, nicht mehr operativ zu arbeiten«, sagte Beate. »Und ich weiß auch, dass niemand so gute Gründe dafür hat wie du. Mir stellt sich aber trotzdem die Frage, ob du in der aktuellen Situation nicht eine Ausnahme machen kannst. Du bist schließlich unser einziger Spezialist für Serienmörder. Der Staat hat Geld in dich investiert, indem er dir die FBI -Ausbildung ermöglicht hat, die …«
»… ich, wie du weißt, mit viel Blut, Schweiß und Tränen bezahlt habe«, fiel Harry ihr ins Wort. »Und nicht nur mit meinem eigenen Blut und meinen eigenen Tränen.«
»Ich habe nicht vergessen, dass Rakel und Oleg in die Schusslinie des Schneemanns geraten sind, aber …«
»Die Antwort lautet: Nein«, sagte Harry. »Ich habe Rakel versprochen, dass keiner von uns jemals wieder dorthin zurückkehrt. Und ich habe mir dieses Mal wirklich vorgenommen, das Versprechen nicht zu brechen.«
»Wie geht es Oleg?«, fragte Beate.
»Besser«, sagte Harry und sah sie wachsam an. »Er ist in der Schweiz auf Entzug.«
»Das freut mich zu hören. Und Rakel hat den Job in Genf bekommen?«
»Ja.«
»Pendelt sie?«
»Vier Tage in Genf, drei hier zu Hause. Es ist gut für Oleg, seine Mutter so nah bei sich zu haben.«
»Das kann ich gut verstehen«, sagte Beate. »Aber damit sind die beiden doch wohl aus der Schusslinie, oder? Und du bist vier Tage in der Woche allein. Vier Tage, in denen du tun und lassen kannst, was du willst.«
Harry lachte leise. »Liebe Beate, ich war vielleicht nicht deutlich genug. Was ich hier mache, ist genau das, was ich machen will. Vorlesungen halten, den Leuten etwas beibringen.«
»Ståle Aune ist bei uns«, sagte Katrine.
»Schön für ihn«, sagte Harry. »Und schön für euch. Er weiß über Serienmörder genauso viel wie ich.«
»Bist du dir sicher, dass er nicht mehr weiß?«, fragte Katrine süffisant lächelnd. Sie hatte eine Augenbraue hochgezogen.
Harry lachte. »Netter Versuch, Katrine. Okay, er weiß mehr.«
»Mein Gott«, sagte Katrine, »wo ist denn dein Ehrgeiz geblieben?«
»Die Kombination von euch dreien und Ståle Aune ist das Beste, was dieser Fall sich wünschen kann. Ich habe jetzt gleich wieder eine Vorlesung, wenn ihr also …«
Katrine schüttelte langsam den Kopf. »Was ist mit dir passiert, Harry?«
»Lauter gute Dinge«, sagte Harry. »Wirklich gute Dinge.«
»Empfangen und verstanden«, sagte Beate und stand auf. »Ich möchte dich aber trotzdem fragen, ob wir dich hin und wieder um deinen Rat bitten dürfen.«
Sie sah, dass er den Kopf schütteln wollte. »Lass dir Zeit mit deiner Antwort«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich rufe dich später an.«
Als sie drei
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