Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
Harry.
»Gut. Viel zu tun. Tulla ist in den Skiferien bei ihrer Oma in Steinkjer. Sie hat gerade mit der Schule angefangen.«
»Wirklich? Gruselig, wie schnell die Zeit vergeht …« Er schloss die Augen etwas und lachte leise.
»Ja«, sagte Beate und trank einen Schluck Kaffee. »Harry, ich wollte dich treffen, weil ich endlich wissen möchte, was passiert ist.«
»Ich weiß«, sagte Harry. »Ich hatte auch vor, mich bei dir zu melden. Aber vorher musste ich noch einiges mit Oleg regeln und mit mir.«
»Erzähl.«
»Okay«, sagte Harry und stellte die Tasse ab. »Du warst die Einzige, die ich seinerzeit informiert habe. Du hast mir geholfen, und ich schulde dir wirklich viel, Beate. Und du bist die Einzige, die es je erfahren wird. Aber bist du dir auch sicher, dass du alles wissen willst? Du könntest dadurch in ein gewisses Dilemma geraten.«
»Ich habe mich mitschuldig gemacht, als ich dir geholfen habe, Harry. Aber wir sind das Violin losgeworden. Es ist inzwischen komplett von den Straßen verschwunden.«
»Phantastisch«, sagte Harry trocken. »Jetzt kursieren wieder Heroin, Crack und Speedballs.«
»Und der Mann, der hinter diesem Violin stand, ist weg. Rudolf Asajev ist tot.«
»Ich weiß.«
»Du weißt , dass er tot ist? Echt? Weißt du dann auch, dass er vor seinem Tod viele Monate lang unter falschem Namen im Reichshospital im Koma lag?«
Harry zog eine Augenbraue hoch. »Asajev? Ich dachte, der wäre in einem Hotelzimmer im Leons gestorben?«
»Da wurde er gefunden. In einer Riesenblutlache. Aber sie konnten ihn am Leben erhalten. Bis vor kurzem. Woher weißt du das vom Leons? Das war doch alles unter Verschluss.«
Harry antwortete nicht, sondern drehte die Kaffeetasse in seiner Hand hin und her.
»Nein, verdammt …«, sagte Beate und stöhnte.
Harry zuckte mit den Schultern. »Ich hab dir gesagt, dass du es vielleicht lieber nicht wissen willst.«
»Du hast ihm das Messer verpasst?«
»Hilft es, wenn ich sage, dass es Notwehr war?«
»Wir haben eine Kugel im Bettgestell gefunden. Aber der Einstich war tief und aggressiv, Harry. Der Rechtsmediziner meinte, der Täter müsse das Messer mehrmals umgedreht haben.«
Harry blickte in seine Tasse. »Nun, nicht oft genug, wie es aussieht.«
»Ehrlich, Harry, du … du …« Beate war es nicht gewohnt, ihre Stimme zu erheben.
»Er war es, der Oleg abhängig gemacht hat, Beate.« Harrys Stimme war leise, und er sah nicht von seiner Tasse auf.
Sie saßen schweigend da und lauschten der kostbaren Holmenkollen-Stille.
»Hat Asajev dir in den Kopf geschossen?«, fragte Beate schließlich.
Harry fuhr sich mit den Fingern über die neue Narbe an der Schläfe. »Was lässt dich glauben, dass das eine Schusswunde ist?«
»Tja, was weiß ich schon über Schusswunden, ich bin ja bloß Kriminaltechnikerin.«
»Okay, sagen wir, es war ein Typ, der für Asajev gearbeitet hat«, sagte Harry. »Drei Schüsse aus nächster Nähe. Zwei in die Brust. Der dritte in den Kopf.«
Beate sah Harry an, er sagte die Wahrheit, aber es war nicht die ganze Wahrheit.
»Und wie überlebt man so etwas?«
»Ich trug zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Tagen eine schusssichere Weste. Irgendwann musste die sich ja mal lohnen. Aber der Kopfschuss hat mich erwischt, und ich wäre daran auch gestorben, wenn …«
»Wenn was?«
»Wenn der Typ nicht sofort zur Ambulanz in der Storgata gerannt wäre und einen Arzt geholt hätte, der mir das Leben gerettet hat.«
»Was sagst du da? Und warum habe ich davon nichts erfahren?«
»Der Arzt hat mich noch am Tatort zusammengeflickt und wollte mich in die Klinik bringen lassen, aber ich bin rechtzeitig aufgewacht und habe dafür gesorgt, stattdessen nach Hause gebracht zu werden.«
»Warum das denn?«
»Ich wollte kein Aufsehen. Wie läuft’s denn mit Bjørn? Hat er inzwischen eine Freundin?«
»Dieser Kerl … hat erst versucht, dich zu erschießen, und dir dann das Leben gerettet? Wer …?«
»Er hat nicht versucht, mich zu erschießen, das war ein Unfall.«
»Ein Unfall. Drei Schüsse sind kein Unfall, Harry.«
»Wenn du auf Turkey bist und eine Odessa in der Hand hältst, kann das durchaus passieren.«
»Odessa?« Beate kannte die Waffe. Die Billigkopie der russischen Stetschkin. Auf Fotos sah die Odessa aus wie von einem wenig begabten Schlosserlehrling zusammengeschweißt. Der unförmige Bastard einer Pistole und einer Maschinenpistole. Aber unter den russischen Urkas, den Berufskriminellen, war sie
Weitere Kostenlose Bücher