Komische Voegel
Uferschnepfen schauten lüstern auf die rostroten Brüste ihrer Artgenossen. Und die ganze Zeit duftete der Raps, so süß, so schwer.
Auf der Terrasse vor dem Theehuis Het Einde saßen lauter Paare, die sich nicht nahe genug kommen konnten, alle ließen sich gehen, vielleicht lag es am Raps, vielleicht auch an dem Dunggeruch, der über dem wasserreichen Land hing. Im Hafen von Marken nackte Männer, den Bauch sinnlich vorgestreckt, und Frauen, die tütenweise Fritten mit reichlich Mayonnaise futterten, auch dies eine wollüstige Art der Selbsterhaltung. Pferde wälzten sich auf der trockenen Erde hitzig von einer Flanke auf die andere, die Beine breit, und Hengste, die allein auf der Koppel standen, das Geschlecht meterweit ausgefahren, benagten die hölzernen Dammzäu
ne. Später, vor der alten Schule in Holysloot, war verbale Kommunikation unmöglich, weil plötzlich erwachte Frösche einander mit ohrenbetäubendem Lärm auf die Pelle rückten. Weiße Kastanienkerzen schauten wie spitze Mädchenbrüste zwischen den handförmig gefiederten Blättern hervor. Zwei Erpel vergewaltigten energisch und doch mit Hingebung eine Ente. Noch später, vier Stunden nach Beginn meiner Tour, die sich unerwartet als Priapusprozession entpuppte, reichte mir der Wiesen-Sauerampfer, ich schwöre es, schon bis zum Hintern, obwohl er vorher noch nirgends zu sehen gewesen war. Um acht Uhr war ich dann zwei Minuten still; dieses Jahr bei allem Ernst auch ein wenig lüstern.
Insel
21. Woche 2008
Ich hatte ein Gespräch mit einer Silbermöwe. Groß war sie und hatte diesen roten Fleck auf dem Schnabel, der den Jungvögeln die Futterquelle anzeigt. Sie stand am Ufer des Schloßweihers in Den Haag unter den blühenden Kastanien. Ich fragte drei-, viermal: »Soll ich dich holen?« Darauf antwortete sie mit ein paar unverständlichen Kehllauten und tat so, als wolle sie auffliegen. Ich hätte sie mir gern geschnappt und mit ihr noch etliche andere Möwen, Teichhühner, Enten und dicke Gänse, weil auch sie die Insel im Schloßteich zu einem Schandfleck machen.
Man stelle sich die Szenerie vor: der Regierungssitz unseres Landes, Sonnenschein, eine Gruppe Japaner, die jahrhundertealten Bauwerke, der Rittersaal, der Brunnen auf dem Binnenhof mit seinem glänzenden Gold, ein italieni
scher Eisverkäufer, der kein Malaga hat, zwei Minister in der Mittagspause, entspannt plaudernd, die Fahnen am Hofweiher, das Mauritshuis, darin Vermeers großartige Ansicht von Delft . Und dann diese Insel! Ich traute ehrlich gesagt meinen Augen kaum. Ein paar zerzauste Bäume, eine Weide hängt völlig schief, Gestrüpp, viel hohes Gras, aber auch nackte Erde. Matschiger Boden, von Gänsekot bedeckt. Eine Insel voll Unkraut und Kot vor dem altehrwürdigen Symbol der Macht in diesem Land. Meinem Begleiter gefiel das. »Natur pur«, meinte er. Natur pur? Eine ungeheure Sauerei, entgegnete ich, ein Schandfleck, ein, ein … Ich verschluckte mich fast vor Empörung. Und dann wollte ich mir die Möwe schnappen, aber die antwortete nur mit diesem gemütlichen Glucksen. Fühlte sich offenbar wohl in der puren Natur.
Ich würde sagen: Bringt ein paar Gärtner, einen Gartenarchitekten und einen kleinen Bagger mit einem Boot auf die Insel, und laßt die Kettensägen brüllen. Was sollen die Japaner von uns denken? Oder der italienische Eismann? Wie man die Insel dann neu gestaltet, ist mir nicht so wichtig, Hauptsache, das Ganze sieht halbwegs ordentlich aus. Notfalls nur Buchsbaumgewächse und ein etwas größerer Baum, aber bitte nicht zerzaust und schief. Oder, noch schöner und holländischer: eine Muschelgrießfläche mit neun dicht gedrängt stehenden Kopfweiden (und natürlich einem Zaun, der die Gänse abhält). Ich möchte mit auf das Boot.
Schatten
23. Woche 2008
Wenn man Geld spendet, kann man oft nur hoffen, daß es auch dort ankommt, wo es ankommen soll. Daß die Kampagne »Bäume für Kühe« wichtig ist, steht außer Frage. Sie sorgt nämlich für mehr Schatten, und wie sehr Kühe (aber auch Schafe, Ziegen, Hühner, Truthähne, Pferde, Freilandschweine, Kaninchen, Lamas, Nandus, Damhirsche, Kamele und Menschen) Schatten brauchen, kann jeder sehen, der an warmen, sonnigen Tagen an Weiden oder Gärten vorbeikommt. Und wer nach den Motiven der Initiatoren fragt, braucht sich eigentlich nur das berühmteste »Bauerngemälde« unserer Kunstgeschichte in Erinnerung zu rufen, den Jungen Stier von Paulus Potter.
Ein Bauer aus meinem Heimatdorf hat vor langer
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