Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
nicht möchten also, wenn es Sie nicht stört, einen kurzen Moment.
Sie gehen ins Wohnzimmer und stehen höflich herum wie Fremde. Dann setzen Oma und Stephanie sich, und Mary-Anne und ihre Mutter setzen sich nebeneinander auf die Sofakante. Die Möbel sehen fremd aus, und plötzlich wirkt die Luft im Wohnzimmer zum Schneiden dick, so dass das Atmen und Sprechen schwerfällt. Es gäbe ohnehin nur ein Thema, Gemma, aber über sie ist alles gesagt, wieder und wieder haben sie einander vorgebetet, wo sie wann war, wer sie wo zuletzt gesehen hat, wohin sie gegangen sein könnte, wo sie möglicherweise ist.
Mary-Anne fängt zu weinen an. Sie stößt unvermittelt laute, nasse Schluchzer aus, in die ihre Mutter einfällt es tut mir leid, es tut mir ja so leid. Man könnte Mary-Anne glatt verprügeln. Man könnte fest zuschlagen und schreien: Hör auf, hör mit dem Geheule auf, sie ist nicht deine Schwester. Oma weint nicht. Sie streicht sich mit beiden Händen den beige-roten Rock mit dem Rosenmuster glatt und sagt, sie habe noch Hoffnung, sie klingt so streng und unbeugsam, als werde sie niemals aufgeben. Dann sagt sie: »Entschuldigen Sie mich«, und verlässt das Zimmer.
Auch Stephanie weint nicht. So hat sie es beschlossen. Denn wenn sie weint, kommt Gemma nicht zurück. Sie weiß nicht, warum, aber so ist es nun einmal; sie wird niemals um Gemma weinen. Niemals. Sie weiß, die anderen – vielleicht sogar Minna und Dave – glauben, Gemma sei für immer verloren. Aber Stephanie weiß, dass sie irgendwo wartet, irgendwo. Mit diesem besonderen Grinsen im Gesicht, das sie beim Versteckspielen zieht. Sie ist überzeugt, ein supergeheimes Versteck entdeckt zu haben, das außer ihr niemand finden kann. Sobald Stephanie einfällt, wo dieser Ort sein könnte, wird alles in Ordnung kommen, dann darf sie wieder über neue Shorts und über Jungen reden, dann darf sie Muffins essen und über ihre Schuluniform jammern. Und Minna wird wie immer schlecht gelaunt sein und dann wieder fröhlich, und Dave wird wieder zur Arbeit gehen.
Leute klingeln an der Haustür. Wenn Oma beschäftigt ist, muss Stephanie hingehen. Bevor sie öffnen darf, muss sie einen Blick durch den Spion werfen. Falls sie die Leute nicht kennt, muss sie nach dem Namen fragen, um auszuschließen, dass es sich um Reporter handelt. Wenn sie unsicher ist, ob sie einen Besucher einlassen soll, muss sie vorher fragen.
So wie am Dienstagmorgen, als zwei Männer und eine Frau vor der Haustür standen. Da hat sie Oma geholt. Es war wieder die Polizei. Matt und Chris kamen oft vorbei, um sich im Wohnzimmer mit Minna und Dave zu unterhalten, man konnte ihre ernsten, gedämpften Stimmen durch die Tür hören. Oma sagte, Minna und David seien nicht zu Hause, aber sie meinten, sie wollten mit den Kindern sprechen, Oma solle sich dazusetzen, laut Vorschrift müsse ein erwachsenes Familienmitglied dabei sein.
Oma antwortete, sie könne das ohne Minna und David nicht entscheiden, aber die Männer sagten, es gehe nur um ein paar Details, die sie nachprüfen müssten, vielleicht würde es ihnen weiterhelfen.
Matt stellt die meisten Fragen. Er ist der Nette, der viel lächelt. Der andere, Chris, sagt nur wenig, er beobachtet nur. Die Frau sagt gar nichts.
»Du bist Jonny, richtig?«
»Ja.«
»Du weißt, wer ich bin, oder? Ich bin Matt, das ist Chris, und das ist Anne. Dürfen wir dir ein paar Fragen stellen?«
»Klar.«
»Am Samstag warst du mit deiner Mum und Stephanie und Gemma und Liam beim Picknick, oder?«
»Ja. Aber Gemma ist nicht mit uns nach Hause gefahren.«
Matt nickt. »Ich weiß. Deswegen stellen wir dir die Fragen. Vielleicht kannst du uns helfen. Willst du uns helfen, Jonny?«
»Ja.«
»Hast du beim Schulpicknick mit Gemma gespielt?«
Nachdenklich verzieht er das Gesicht. »Gemma ist zu klein.«
»Was hast du beim Ausflug gemacht? Hattest du ordentlich Spaß?«
»Ich bin beim Wettlauf Dritter geworden.« Er strahlt Matt an.
»Gut gemacht. Du musst ein toller Läufer sein.« Matt strahlt zurück.
»Aber Erster bin ich nicht geworden.«
»Was hast du noch gemacht?«
»Ich bin schwimmen gegangen.«
»Hey, du bist ein richtiger Sportler, was, Jonny?«
»Ja.«
»Hast du das Flugzeug gesehen?«
»Das Schwimmflugzeug. Das habe ich gesehen.«
»Cool, was?«
»Ja.«
»War Gemma bei dir, als du das Schwimmflugzeug gesehen hast?«
Jonny druckst herum. »Mum hat gesagt, wir sollen auf Gemma aufpassen.«
Matt nickt. »Das ist gut. Bestimmt bist
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