Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
Leben gerettet, indem sie ihr riet, sich bei der Arbeit besser abzugrenzen. Wanda hat die Fähigkeit, fast alles mit Humor zu nehmen. Und dann ist da noch Mary-Anne. Mary-Anne ist jetzt verheiratet. Verheiratet und schwanger. Seltsam, dass sie in Kontakt geblieben sind, wo sie doch nichts mehr gemeinsam haben; trotzdem treffen sie sich regelmäßig.
Stephanie ist allein. Sie hat keinen Partner. Dabei ist sie längst keine Jungfrau mehr. Sie entledigte sich ihrer Jungfräulichkeit, indem sie vor vielen Jahren, vor ihrer Abreise, Nick Baker beim Abschlussball in Wanaka von seiner festen Freundin weg ins Gebüsch lockte. Sie reichte ihm ein Päckchen mit Kondomen und zog sich den Schlüpfer herunter. Später erfuhr sie, was er herumerzählte. Sie hat darum gebettelt. In der Tat war es so gewesen, dass sie genug davon hatte, von den Jungen wie eine Verrückte behandelt zu werden, der man sich nicht nähern durfte, weil sie womöglich irgendwie austickte. Sie wollte die Sache in die Hand nehmen und beweisen, dass sie normal war.
Klar, seit sie in der Stadt wohnt, hat sie sich mit Männern getroffen, insgesamt waren es zwei oder drei. Sie zieht die Männerblicke auf sich. Sie sieht aus wie Minna. Sie erinnert sich daran, wie ihre Mutter an dem Tag am See aussah. An das glänzende, hinters Ohr gestrichene Haar, an die Augen hinter der großen Sonnenbrille. Sie lag auf der schwarz-weißen Decke und trug einen schwarzen Bikini, ihre Haut war dunkel und schimmerte in der Sonne. Schön und distanziert. Sie hat dieses Bild von Minna im Kopf, weil sie sie niemals wieder so sah, mit geschlossenen Augen auf der Decke ausgestreckt, die glatte, schimmernde Haut dunkel wie Kaffee, ganz und gar und ohne jede Anstrengung sie selbst. Während der letzten Monate lag sie nur noch auf dem Bett, mit geschlossenen Augen. Dann zog sie aus.
Stephanie braucht niemanden. Obwohl sie jetzt Mark hat. Sie war mit Wanda im Kino und danach in einer Bar, wo eine Jazzband spielte und Stephanie mehr trank, als sie eigentlich wollte; zum Schluss tanzte sie sogar. Er hatte braune Locken und ein sympathisches Lächeln. Normalerweise legt sie es nicht auf einen One-Night-Stand an, aber an dem Abend fühlte sie sich anders, sie war leicht und beschwingt und lachte viel. Am nächsten Morgen war er immer noch da.
Sie erlaubt ihm nur selten, bei ihr zu übernachten. Das hat sie von Anfang an klargestellt. Ihre Arbeit hat oberste Priorität; danach kommt lange nichts. Aber wenn er dann bei ihr ist, gefällt es ihr besser, als sie zugeben mag. Wenn sie am Morgen aufwacht und er sich zärtlich an sie kuschelt und lächelt.
Er streicht ihr übers Haar. Tippt ihr mit dem Finger an die Schläfe.
»Lass mich rein«, sagt er. »Hey, Stephanie, lass mich bitte rein.«
8.
N un, da alle es erfahren haben, gibt es kein anderes Gesprächsthema mehr.
»Oh, Beth, ist das nicht wundervoll?«
»Das hast du gut gemacht!«
»Du musst ja so aufgeregt sein!«
Sie wird beschenkt. Quietscheentchen, Plüschtiere, grell blinkende Plastikteile, aus denen verzerrte Musik quäkt. Und scheinbar hat plötzlich jeder das Recht, sie zu fragen, ob ihre Brüste schmerzen, ob sie ständig Pipi machen muss, ob sie Hämorrhoiden hat, ob sie sich einen Jungen oder ein Mädchen wünscht. Ob sie es überhaupt erfahren will, bestimmt wäre es besser, es zu wissen. Man tätschelt ihren Bauch, als wäre er plötzlich Allgemeingut.
Als die kleine, blaue Linie auf dem Teststreifen hervortrat, war sie wie gelähmt; sie bekam Herzklopfen und starrte ungläubig darauf, fürchtete, sie könnte vor ihren Augen wieder verschwinden. Es war ein Wunder. Sie hatten im selben Monat zu verhüten aufgehört. Alle, mit denen sie darüber gesprochen hatte, ihre Freundinnen und ihre Kolleginnen bei der Arbeit, hatten gemeint, es würde ewig dauern, bis zu einem ganzen Jahr, manchmal noch länger.
Sie konnte sich nicht bewegen. Sie rief: »Peter! Peter!«
Er wusste nicht, dass sie einen Test gekauft hatte, wusste nicht, dass ihre Periode überfällig war. Sie hatte ihm nichts erzählt, damit er im Falle eines Fehlalarms nicht enttäuscht wäre. Er wünschte es sich so sehr. Er kam ins Badezimmer, und sie hielt ihm den Teststreifen entgegen. Er betrachtete ihn stirnrunzelnd, verstand nicht ganz; als der Groschen fiel, fing er zu grinsen an und schloss sie in seine kräftigen Arme. In dem Moment war sie zufrieden. Er verhielt sich genau so wie die anständigen Männer im Kino, und sie fühlte sich genau so, wie
Weitere Kostenlose Bücher