Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
ihr nicht gelang?
Am schlimmsten ist es nachts, wenn Peter seine Hände über ihren Körper gleiten lässt wie ein Bauer, der eine trächtige Kuh untersucht. Ist das Euter dick genug, wächst der Bauch? Dann grunzt er leise, so als sei er ganz zufrieden, küsst sie und schläft so dicht an sie gekuschelt ein, dass sie meint, ersticken zu müssen. Irgendwo hat er gelesen, dass sich die meisten Fehlgeburten im Laufe des ersten Schwangerschaftsdrittels ereignen; und obwohl die These nicht belegt ist, zählt Geschlechtsverkehr zu den Risikofaktoren. Also gibt es keinen Sex mehr.
Obwohl sie so erschöpft ist, kann sie nicht einschlafen. Sie läuft durch das dunkle Haus, ins Wohnzimmer, ins Esszimmer, ins Arbeitszimmer, in die Küche, trinkt Tee übertreib es nicht mit dem Koffein, Liebling und starrt aus dem Fenster. Sie kann neben Peter nicht schlafen, er schwitzt und atmet zu laut. In dem anderen Zimmer kann sie genauso wenig schlafen, nicht in Gesellschaft der vielen Plüschtiere und der Wiege mit der Überdecke, die Peters Mutter schon gestrickt hatte, als Beth noch nicht einmal ans Schwangerwerden dachte, wahrscheinlich schon damals, als sie und Peter ein Paar wurden und sie noch zur Schule ging.
Irgendwann wird ihr kalt, und sie geht zurück ins Bett. Dann melden sich die Gedanken wie kleine Glühlämpchen in ihrem Kopf, ein und aus, ein und aus. Sie sehnt sich nach Schlaf und hat gleichzeitig Angst davor. Der Traum ist wieder da.
Was ist schlimmer, einzuschlafen und womöglich den Traum zu träumen oder grübelnd wach zu liegen? Beth kann sich nicht entscheiden. Der Traum ist entsetzlich, aber manchmal kommen ihr, wenn sie so daliegt und nachdenkt, noch viel schlimmere Gedanken.
Was, wenn ich es nicht schaffe? Wenn ich so ende wie Mum? Was, wenn ich es liebe, wenn ich es über alle Maßen liebe und es dann …
Nein nein nein nein nein.
Ihre Kopfhaut spannt so sehr, dass es juckt. Kein normales Jucken, dem man mit Kratzen begegnen könnte, sondern ein fieses, schmerzhaftes Jucken.
Jede Nacht.
Die Kolleginnen sagen: »Du siehst wirklich müde aus, ist alles in Ordnung?«
Sie lächelt. »Klar. Ich habe alles im Griff.«
»Wenn du die ersten drei Monate überstanden hast, wird alles besser. Am Anfang ergeht es allen so, das ist ganz normal.«
Sie versucht, mit Freundinnen darüber zu sprechen, die selbst Kinder haben. Am Anfang ist es ganz normal, so niedergeschlagen zu sein, da kommst du drüber weg. Sie versucht es bei Peter: »Es geht mir nicht so gut. Ich kann nicht mehr schlafen, ich fühle mich, na ja, irgendwie benommen.«
»In diesem Buch wird es erklärt. Das musst du lesen, Beth. Was mit dir passiert, ist vollkommen normal.«
Was, wenn ihre Gefühle nicht normal sind? Sie sucht einen zweiten Arzt auf. Nur um zu reden, um sich über die Alternative aufklären zu lassen. Sie lässt sich dann doch einen Termin für die folgende Woche geben. Na ja, den kann sie immer noch absagen, vermutlich geht es ihr nächste Woche ohnehin schon viel besser! Ja, bis dahin wird sie ihre Meinung ändern und den Termin absagen.
Am Freitagmorgen geht sie hin. Neben ihr sitzen noch andere Frauen im Wartezimmer. Alle tragen das gleiche verwaschene, grüne Krankenhausnachthemd, das man bei der Anmeldung bekommt. Niemand spricht ein Wort, aber die anderen wirken ganz entspannt, so als sei es okay. Als sei es ganz normal. Sie kommt als Dritte an die Reihe.
Es tut nicht weh. Um zwei darf sie gehen. Sie ruft ein Taxi.
Sie hat sich überlegt, ihm zu erzählen, sie habe es verloren. Sie wird sagen, sie habe sich, nachdem er am Morgen zu Arbeit gefahren war, unwohl gefühlt, habe ihn aber nicht anrufen wollen, damit er sich keine Sorgen macht. Eigentlich ging es ihr gar nicht so schlecht, sie hatte nicht das Gefühl, ein ernstes Problem zu haben. Sie habe sich freigenommen, um sich auszuruhen. Das klingt gut, es klingt so, als habe sie verantwortlich gehandelt. Dann sei plötzlich alles ganz schnell gegangen, die Blutung, die Schmerzen. Als sie merkte, was los war, sei es zu spät gewesen. Sie habe es verloren.
Nachdem das Taxi sie nach Hause gebracht hat, setzt sie sich aufs Sofa, um auf ihn zu warten. Sie ist ruhig, eiskalt. Dann plötzlich geht es in ihrem Kopf wieder los wie konntest du nur? Wie konntest du? Was hast du getan? Sie fängt an, durchs Haus zu irren, betritt das frisch gestrichene Zimmer, wo alles für den sechzehnten April bereitsteht. Sie kann das nicht, sie kann Peter nicht anlügen. Wahrscheinlich
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