Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)

er geht, schaut sie ihn nicht an. Sie hört die Tür ins Schloss fallen. Sie greift zur Fernbedienung und starrt für eine Weile in den Fernseher. Eine Quizshow, von der sie kaum etwas mitbekommt. Irgendwann schaltet sie den Fernseher aus, geht zum Küchentresen und räumt das Gemüse weg. Er hat alles stehen und liegen lassen. Sie versucht, sich darüber zu ärgern, und schmeißt alles in den Mülleimer.
    Sie macht sich ein Sandwich, setzt sich an den Tisch, isst, klappt den Laptop auf und liest, was sie am Vorabend geschrieben hat. Es klingt ganz gut. Ihre Forschungsarbeiten gehen gut voran, aber wenn sie jetzt nachlässig wird, verliert sie den Anschluss. Sie hat keine Wahl, sie muss dranbleiben.

10.
    Westport, 1996
    E r ist ständig da. Am Anfang stört Beth das nicht. Die Mädchen aus ihrer Klasse finden ihn cool, deswegen erzählt sie gern herum, dass er sie zu Hause besucht. In der neuen Highschool kennt sie kaum jemanden, und sie möchte von den anderen gemocht werden. Am Anfang gefällt es ihr auch, als er sie auffordert, ihn Ward zu nennen, obwohl er erwachsen und ein Lehrer ist. Ihre Mutter wirft ihr einen kurzen Blick zu, so als sei sie dagegen. Wenn sie ihn Ward nennt, fühlt sie sich erwachsen. Am Sonntag war Ward zum Abendessen da.
    Er ist lustig. Er erzählt Witze und lacht viel. Wenn er da ist, herrscht im Haus eine andere Atmosphäre. Unbeschwerter. Leichter. Sie mag es, wie Mum kichert, wenn er sagt das war das beste Essen seit Wochen, meine Mutter hat versucht, mir das Kochen beizubringen, aber ich kann nichts anderes als angebrannte Eier auf angebranntem Toast.
    Eigentlich war Dad derjenige gewesen, der ihn zuerst eingeladen hatte. Beim Grillen nach dem Sportfest, ganz zu Beginn des Schuljahres, hatte sie bemerkt, wie er sie und Mum und Dad und Gracie beobachtete, bevor er herüberkam. Er sagte, sie sei gut gelaufen, obwohl das nicht stimmte; sie hatte einen guten Start hingelegt, konnte das Tempo aber nicht halten. Er sagte, aus ihr könne eine richtige Top-Läuferin werden, er habe sie in der Vorwoche beim Querfeldeinlauf beobachtet, sie solle wirklich dranbleiben. Dad schüttelte ihm die Hand, und Mum benahm sich wie immer, wenn sie Fremden begegnete, sie wandte den Blick ab und wurde rot. Dann tauchte er plötzlich in der Kirche auf, und Dad lud ihn zum Abendessen ein. Dad meinte, es sei gut, wenn auch mal jüngere Leute zum Gottesdienst kämen.
    Manchmal bringt er Holly mit. Sie ist jetzt seine Freundin. Dazu kam es nur, weil er ständig zum Abendessen vorbeikommt, und Beth ist nicht glücklich darüber. Als er einmal zu Besuch war, kam Holly vorbei, um Dad die neue Broschüre zu zeigen, und Dad lud sie ein, zum Nachtisch zu bleiben, und dann ist sie plötzlich Wards Freundin. Dad mag Holly, er freut sich für sie, und wenn Ward mit Gracie spielt, mit ihr auf dem Teppich herumtollt und sie auskitzelt, schauen alle zu Holly rüber und sagen Ward wird mal ein ganz toller Vater sein.
    Holly arbeitet im Fremdenverkehrsbüro. Sie schanzt Dad so viele Aufträge zu, dass der meint, ohne sie könnte er die Firma nicht am Laufen halten. Bevor sie Wards Freundin wurde, war Holly die Freundin von Beth; sie hatten sich angefreundet, kurz nachdem Dad das Boot gekauft hatte und Holly ihm mit Tipps weitergeholfen hatte. Sie hatte Beth Süßigkeiten mitgebracht und zu Dad gesagt ach, sie ist so süß! Jetzt, da Beth größer ist, experimentiert Holly bei ihren Besuchen an ihrer Frisur herum, und wenn Beth Dad ins Fremdenverkehrsbüro begleitet und Holly Zeit hat, lädt sie Beth auf einen Cappuccino ein.
    Früher kam Holly allein, inzwischen ist Ward ständig dabei. Trotzdem ist sie immer noch Beths Freundin. Beim letzten Mal hat sie Beth die Nägel lackiert. Die Farbe hieß Cherry Punch, Holly trägt sie selbst. Nicht, dass Mum ihr erlauben würde, so herumzulaufen; sie darf die Farbe nur zu Hause ausprobieren. Holly ist hübsch, sie hat strahlende, dunkelblaue Augen und rote, weiche Locken. Beim Lachen reißt sie die Augen ganz weit auf und wirft den Kopf zurück. Aber sie ist nicht so hübsch wie Mum. Mum ist schön. Alle sagen das.
    Wenn Holly mit Ward zu Besuch kommt, geht sie direkt in die Küche, um Mum zu helfen und sich mit ihr zu unterhalten, und er geht mit Dad in den Schuppen, um am Boot zu werkeln. Manchmal, wenn ein Platz frei ist, nimmt Dad ihn mit auf eine Angeltour. Aber nie über Nacht. Wenn Dad zum Nachtangeln rausfährt, nimmt er nur Touristen mit.
    Manchmal, wenn Ward ohne Holly kommt,