Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
Stephanie ist sich sicher, wenn sie sie jetzt verliert, kann sie Elisabeth nicht zurückholen.
»Warum sind Sie heute zu mir gekommen?« Sie sieht Elisabeth direkt in die Augen. »Das war Ihre Entscheidung, oder?«
»Vielleicht.« Zögernd bleibt Elisabeth an der Tür stehen.
»Vielleicht?«
»Vielleicht bin ich nur gekommen, um endlich Ruhe vor Ihnen zu haben. Elisabeth? Ich bin’s, Stephanie. Als wäre ich behindert oder so was. Du liebe Güte.«
»Oder vielleicht, weil Sie sich etwas davon erhofft haben?«
Sie schweigt, lässt den Kopf hängen, aber sie hört zu.
»Was haben Sie sich denn erhofft?«
»Was ich mir erhofft habe? Hören Sie, ich erhoffe mir gar nichts! Nicht von Ihnen. Ich will jetzt gehen.«
»Ich werde mir jeden Tag um diese Zeit eine Stunde für Sie freihalten, okay?«
Sie kommt nicht. Nicht am nächsten und auch nicht am übernächsten Tag, und dann beginnt das Wochenende. Aber am Montagmorgen steht sie vor der Tür.
»Beth, wie schön, Sie zu sehen.«
Diesmal setzt sie sich richtig hin. Sie betrachtet Stephanie lange, bevor sie aus dem Fenster schaut.
Warte ab. Diesmal soll sie den Anfang machen.
»Ich weiß nicht, was ich hier soll«, murmelt sie schulterzuckend.
»Ich bin froh, dass Sie gekommen sind.«
»Klar, so haben Sie wenigstens was zu tun.«
»Wie ich sehe, gehen Sie inzwischen zu den Stationskonferenzen?«
Wieder zuckt sie die Achseln. »Ja, so wie die anderen Verrückten.«
»So würde ich das nicht ausdrücken«, sagt Stephanie sanft.
»Klar, das wäre ja nicht politisch korrekt. «
»Sie finden, wir sollten die Dinge beim Namen nennen?«
»Ja, statt so einen Mist zu erzählen.«
»So einen Mist?«
»Hey, ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen damit aufhören, mich ständig zu wiederholen. Ich weiß genau, warum Sie das tun.«
»Ich habe es so gelernt, aber bitte, ich werde mich bemühen.«
Stephanie grinst, und wie durch ein Wunder lächelt Beth zurück. Ein offenes, hübsches Lächeln. Sie hat einen breiten Mund, weiße, ebenmäßige Zähne und ein Grübchen in der Wange.
»Also gut. Was machen wir jetzt? Falls ich wiederkomme, meine ich. Worüber unterhalten wir uns?«
»Das können Sie sich aussuchen.«
»Über meine Kindheit, was? Damit Sie herausfinden können, warum ich verrückt geworden bin?«
»Das ist nicht meine Aufgabe. Das ist Ihre Aufgabe.«
»Meine Aufgabe? «
»Etwas Schwierigeres gibt es kaum.«
Sie hebt den Blick und mustert Stephanie genau. »Aber Sie wollen doch, dass ich über meine Kindheit rede?«
»Nur wenn Sie möchten.«
»Letzthin haben Sie gesagt, Ihnen wäre etwas Schreckliches passiert. Sie haben gesagt, es hätte Ihr Leben verdorben.«
»Damals hat es das.« Stephanie versucht, ruhig zu bleiben.
»Wenn also damals Ihr Leben ruiniert war und Sie sich heute jeden Tag schlimme Geschichten anhören müssen – wie kommen Sie dann darauf, dass das Leben lebenswert ist?«
»Es gibt auch schöne Dinge.«
Plötzlich klingt Beth wütend, aufbrausend. »Aber man kann nie wissen, ob was Schreckliches passieren und einen wieder aus der Bahn werfen wird, oder? Was ist mit den wirklich schlimmen Sachen, dass kleine Kinder an Krebs erkranken zum Beispiel, und … und dann gibt es Kriege, den Klimawandel, und manche Leute werden totgeprügelt. Ich meine, wie kann man in so eine Welt ein Kind setzen? Ständig passieren die schlimmsten Sachen, jede Minute, und die Leute machen einfach weiter und kriegen Kinder, dabei ist es doch die reinste Sünde, ein Kind in diese Scheißwelt zu setzen.«
»Sie finden es falsch, ein Kind zu bekommen, weil die Welt unsicher ist?«
»Ich habe gesagt, Sie sollen damit aufhören!«
»Beantworten Sie meine Frage.«
»Das habe ich schon. Ich habe es eben gesagt, oder? Ständig musste ich mir Peters Gefasel anhören lass uns ein Kind machen, lass uns ein Kind machen, aber ob es für dieses Kind tatsächlich das Beste wäre, hat ihn nicht interessiert. Ich meine, was glauben Sie, was hatte es denn für Aussichten?«
»Sie glauben, Peter sei sich nicht im Klaren gewesen, was es bedeutet, ein Kind zu haben?«
Beth dreht die Hand um, scheint die Narbe am Handgelenk zu untersuchen. »Im Krankenhaus haben sie sie bis an mein Bett gelassen. Dad und Peter.«
»Obwohl Sie niemanden sehen wollten?«
»Genau.«
Schweigen. Lass sie machen. Überlass ihr die Initiative.
»Die kamen mit dem ganzen Müll an, den man in so einer Situation wohl zu sagen hat: Ich möchte mich um dich kümmern, Liebling. Du kommst
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