Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
Gemma hatte dieses Haar, keinen Kleinkinderflaum. Steph und Gemma sahen sich so ähnlich, früher hat sie immer die Babyfotos rausgeholt und nebeneinander auf den Küchentisch gelegt, sie glichen einander wie ein Ei dem anderen, man hätte sie für Zwillinge halten können! Gemma. Du liebe Güte, unsere Gemma. Sie hat sie geliebt, so sehr hat sie dieses kleine Mädchen geliebt, wer weiß, wäre es damals anders gekommen, wäre sie vielleicht geblieben. Sie hat sich bemüht, wirklich, sie und David haben es versucht. Und als sie dann zum letzten Mal in den Wehen lag, war sie überzeugt, wieder ein kleines Mädchen zu bekommen, aber dann kam Greg. Ein netter Junge, klar, süß und hübsch, aber sie konnte einfach nicht verwinden, dass er nicht Gemma war, sie konnte einfach keine Beziehung zu ihm aufbauen, und letztendlich blieb ihr nur die Flucht. Einmal hätte sie Greg fast geschlagen, wirklich, sie hat geweint, wie immer damals. Dave hatte Verständnis. Als sie es ihm sagte, hat er sie stumm umarmt und festgehalten. Er hatte es eingesehen. Sie hatten es versucht, aber es hatte nicht funktioniert.
Sie hat ihre Kinder geliebt. Natürlich hat sie sie geliebt, aber damals war sie kaum in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Sie hatte daran gedacht, ein Kind mitzunehmen – aber welches? Außerdem hatte sie die Familie nicht auseinanderreißen wollen, das konnte sie ihnen nicht antun nach allem, was passiert war. Sie hatte in Kontakt bleiben wollen, aber Dave hatte ihr erzählt, dass die Kinder nach jedem ihrer Anrufe völlig verstört waren, außerdem hatte sie viel um die Ohren, den Abendkurs, den neuen Job, die eigene Firma, später dann Steve. Nicht, dass sie sich rechtfertigen müsste. Die Kinder sind allesamt prächtig geraten, außerdem bringt es nichts, sich ständig mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Man kann nicht mehr tun, als sein Bestes zu geben und nach vorn zu blicken.
Was tut man, wenn man ein Kind verliert? Kein Tag vergeht, an dem sie nicht an Gemma denkt. Wenn ein junges Mädchen mit dunklem Haar vorbeigeht, mit einem kurzen, geraden Pony und dunklen Augen, denkt sie: Gemma! Das ist Gemma! Und sie weiß selbst, wie verrückt das ist, trotzdem muss sie immerzu denken, das könnte Gemma sein, das könnte sie sein. Aber selbst wenn es so wäre, würde Gemma sie nicht wiedererkennen, sie würde ihre eigene Mutter auf der Straße nicht wiedererkennen.
Was soll man da machen? Man könnte verrückt werden vor Trauer, man könnte in dem Stadium verharren, in das sie nach Gemmas Verschwinden für Monate verfiel; sie konnte an nichts anderes mehr denken als an Gemma, der Schmerz war wie ein stetig wachsender Tumor, er wurde immer größer, füllte sie aus, übernahm die Kontrolle, dieser bohrende Schmerz im Unterleib.
Trauer. Trauer und Schuldgefühle. Diese eine Sache, die Gemma immer machte. Wenn sie müde war. Wenn sie Aufmerksamkeit wollte. Dann stand sie da, reckte die Hände in die Höhe und wackelte mit den Fingern und rief. Mummy Mummy Mummy Mummy Mummy Mummy.
Es war der Abend, bevor Gemma verschwand. Sie hatte zu tun, musste das Abendessen vorbereiten, aber Gemma wollte auf den Arm, sie wollte Aufmerksamkeit. Mummy Mummy Mummy Mummy Mummy.
Sie hat sie angekeift: Gemma, sei sofort still. Hör auf, dich wie ein Baby zu benehmen.
Und dann diese andere Sache. Sie war jung und dumm. Ja, zugegeben, es hätte nie dazu kommen dürfen, es hätte ohnehin kein halbes Jahr gedauert, aber sie glaubte tatsächlich, ihn zu lieben, sie hat die Kinder zu oft allein gelassen, sie hat Stephanie zu viel Verantwortung übertragen.
Der Tag, an dem Gemma verschwand. Sie hat ihn beobachtet, wo sie doch ihre Kinder im Blick hätte haben sollen. Okay, sie hat einen Fehler gemacht. Mein Gott, alle Mütter machen Fehler, viel schlimmere noch als sie, ohne dass dabei gleich ein Kind abhandenkommt. Man könnte sich die Schuld geben, und dann müsste man sich für den Rest seines Lebens elend fühlen und würde nie drüber wegkommen, aber was würde das bringen?
Was zum Teufel würde das bringen?
Keiner will einen Nachtisch. Sie bestellen Kaffee. Die Unterhaltung ist ins Stocken geraten, sie schweigen sich an. Es ist spät, alle sind müde, alle müssen am nächsten Morgen früh raus. Sie haben sich gut benommen, alle sind höflich geblieben, insgesamt ist es doch sehr viel besser gelaufen, als zu erwarten war. Aber sie reißen sich schon zu lange zusammen. Steve lädt sie alle nach Wellington ein, sie seien jederzeit
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