Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
fühlen sich an wie früher, warum ist es passiert, warum ist ihnen das alles passiert?
Sie hat sich beruhigt. Sie hat sich das Gesicht gewaschen, sie sind zum Botanischen Garten gefahren. Ein kräftiger Wind bläst, aber der Himmel ist blau. Sie setzten sich auf eine Bank am Ententeich. Sie beobachten die Enten im Wasser, die Kinder, die sich in kleinen Grüppchen und mit Tüten voller Futter am Ufer drängen, die größeren, mutigen Enten, die nach dem Futter schnappen und die schwächeren vertreiben. Am Ufer steht ein Schild. Die Enten bitte nicht mit Brot füttern. Entenfutter ist am Informationsstand erhältlich.
»Mein Gott«, sagt Minna, »heutzutage ist alles geregelt. Selbst die Enten brauchen ein verdammtes Spezialfutter. Weißt du noch, wie du und ich und Dave hier waren? Wir haben für die Enten altes Brot geholt, aus der Bäckerei gegenüber.«
Stephanie schweigt. Sie will nur noch schlafen, am liebsten tagelang. Aber die Arbeit wartet, ihre Arbeit, an der ihr immer so viel lag. Nun hat sie das Gefühl, nicht einmal den Weg dorthin bewältigen zu können.
Minna sitzt dicht neben ihr auf der Parkbank und starrt geradeaus. »Ich weiß, dass ich keine tolle Mutter war. Aber du darfst mich dafür nicht hassen.«
»Das tue ich nicht«, sagt Stephanie, »und ich mache dir keine Vorwürfe. Na ja, keine schwerwiegenden. Uns allen geht es gut. Wahrscheinlich hast du recht. Ich sollte damit abschließen.«
»Du bist nicht glücklich. Was ist los?«
»Ich habe zu viel gearbeitet. Ich fühle mich ausgebrannt. Das wird schon wieder.«
»Weiter nichts?«
Stephanie fängt wieder zu weinen an.
»Wenn es um mich geht und du mir sagen willst, ich hätte dein Leben ruiniert, wenn du mir sagen willst, ich solle mich verpissen, dann kann ich damit leben. Komm, Steph, raus damit. Was ist los?«
Komm, Steph, raus damit, sag mir, was los ist, Schätzchen. Komm schon, so schlimm kann es nicht sein, sag es mir.
»Es ist wegen Gemma. Ich muss ständig an sie denken.«
»Ich auch. Ich denke fast jeden Tag an sie. Wir müssen damit leben.«
»Ich muss dich was fragen. Es klingt vielleicht verrückt, aber ich muss es wissen. Was lief damals zwischen dir und Ed Black?«
Minna dreht sich abrupt zu Stephanie um und reißt die Augen auf. »Wie bitte?«
»Du und Ed Black. Was war da los? Hattet ihr eine Affäre?«
»Du liebe Güte, Steph!«
»Sag es mir einfach. Ich werde dich nicht verurteilen oder dich dafür hassen, aber ich muss die Wahrheit erfahren.«
»Das ist meine Sache. Es geht dich nichts an.«
»Nein, es ist nicht deine Sache!«
»Hör mal, du erzählst mir auch nicht alles, und das ist in Ordnung so, es ist deine Entscheidung. Aber ich habe genauso das Recht zu entscheiden, was ich erzählen möchte. Du bist meine Tochter, aber ich habe es dir schon einmal gesagt – ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, und ich muss mich nicht zu Themen äußern, die mir zu persönlich sind.«
»Also hattest du eine Affäre mit ihm.«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass es niemanden was angeht, was ich damals getan habe oder heute tue.«
»Es gibt noch ein Mädchen, das verschwunden ist. Ed Black war auch dort.«
»Was zum Teufel willst du damit sagen?«
»Vielleicht hatte er etwas damit zu tun?«
»Nein. Du liebe Güte, nein, Steph, du verstehst das alles falsch. Lass die Vergangenheit ruhen. Sieh dich doch an! Du quälst dich. Um Gottes willen, lass Gemma los und lebe dein eigenes Leben!«
22.
A ber sie kann nicht loslassen. Sie weiß, ihre Chancen, ihn zu finden, irgendetwas herauszufinden, stehen schlecht, aber sie muss es versuchen.
Ihre Wohnung ist leergeräumt, ihre Röcke, Jacken, Blusen liegen zusammengefaltet in Kisten in Mary-Annes Keller. Die Möbel hat sie an einen Second-Hand-Shop verkauft; der Käufer wird die Sachen abholen. Gestern hatte sie ihren letzten Arbeitstag.
Sie hatte sich einen Termin bei Stewart geben lassen. Aufmerksam lauschte er ihrer zögerlichen Erklärung. »Ich habe ein ernsthaftes familiäres Problem, das sich auf meine Arbeit auswirkt.« Noch während sie das sagte, merkte sie, dass sie dabei war, alles aufs Spiel zu setzen, wofür sie gearbeitet hatte. Womöglich würde sie alles verlieren, dabei wäre es ganz einfach – sie müsste einfach nur dichtmachen und sich nicht länger fragen, was damals passiert war. Sie müsste sich den Fragen und Gedanken einfach verschließen.
Lass die Vergangenheit ruhen. Um Gottes willen, lass Gemma los und lebe dein
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