Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
es anders, oder? Jetzt sind Sie nicht mehr meine Ärztin.«
»Nein, bin ich nicht mehr. Aber ich freue mich zu hören, wie gut es Ihnen geht.«
»Ich habe Sie nicht einmal gefragt, warum Sie verreisen. Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Ich habe ein bisschen viel gearbeitet und brauche eine Pause.«
Beth mustert sie aufmerksam. »Ohne den Arztkittel sehen Sie ganz anders aus. Hübsche Frisur!«
Hastig fährt sich Stephanie durchs Haar. »Meine Mutter hat mich dazu überredet.«
»Sieht toll aus. Wo fahren Sie hin? Wie lange bleiben Sie weg?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Ich werde, na ja … Ehrlich gesagt wollte ich mich ein bisschen treiben lassen.«
»Ganz allein?«
»Ja.«
»Und Sie wissen nicht, wohin oder für wie lange?«
»Nein. Klingt verrückt, oder?«
Stephanie holt tief Luft. Sie sollte es nicht aussprechen, sie sollte den Mund halten. Sie versucht, beiläufig zu klingen. »Ich dachte, ich fahre die Westküste rauf. Vielleicht bleibe ich ein paar Tage in Westport.«
»Waren Sie jemals dort?«
»Ich bin nur durchgefahren. Ich bin nie länger geblieben.«
»Da oben ist nicht viel los, aber es gibt ein paar sehr schöne Ecken. Die Strände, die Wanderwege, inzwischen haben sogar ein paar nette Cafés aufgemacht. Kennen Sie dort irgendwen?«
»Nein.«
»Hey, Sie sollten meinen Dad besuchen, er könnte Ihnen alles zeigen! Er hat ein Gästehaus, dort könnten Sie wohnen.«
»Nein, ich kann mich Ihrem Vater unmöglich aufdrängen.«
»Nein, Stephanie, hören Sie, ich habe Dad von Ihnen erzählt. Er weiß, was Sie für mich getan haben. Es wäre eine Gelegenheit, sich zu revanchieren.«
»Für einen Menschen in Ihrer Lage hätte jede Ärztin dasselbe getan. Das war nichts Besonderes.«
»Das ist Quatsch, Stephanie. Wenn Sie nicht gewesen wären, wäre ich jetzt tot. Das ist die Wahrheit. Sie haben an mich geglaubt.«
»Beth, das war meine Aufgabe.«
»Nein, es steckte mehr dahinter, das wissen Sie genau. Sie haben sich etwas aus mir gemacht, das habe ich sofort gespürt. Selbst als ich krank und blind vor Wut war, wusste ich, dass ich auf Sie zählen kann. Ich werde meinen Dad anrufen. Ich werde Ihnen seine Adresse und seine Handynummer geben, okay?«
»Ich würde Ihren Dad gern wiedersehen. Ich könnte ihn anrufen, wenn ich dort bin.«
»Ja, das sollten Sie. Versprechen Sie es mir.«
»Na gut, ich verspreche es.«
Sie verabschiedet sich. Beim Hinausgehen kommt Stephanie sich schäbig vor. Sie war nicht ehrlich zu Beth. Aber wie hätte sie ehrlich sein können? Wie hätte sie von ihrem Verdacht sprechen können?
Sie sitzt vor dem Computer. Sie muss versuchen, sich an jenen längst vergangenen Sommertag zu erinnern, sie muss jede Kleinigkeit aufschreiben. Namen, Uhrzeiten, Fragen. Sie muss eine Liste der Möglichkeiten anlegen.
So lange konnte sie an nichts anderes denken als an den Tag von Gemmas Verschwinden. Irgendwann verdrängte sie den Gedanken, schob ihn ins Unbewusste. Nun muss sie versuchen, die Tür wieder aufzustoßen und Licht in ihre Erinnnerungen zu bringen, selbst die Schatten am äußersten Rand erkennbar zu machen.
Ed Black. Lisa. Da waren sie, sie saßen ein Stück weit entfernt, aber Stephanie konnte sie deutlich erkennen. Wann sind sie aufgebrochen? Bevor das Flugzeug kam? Danach? Sie ist überzeugt, die beiden gesehen zu haben, als das Flugzeug auf dem Wasser landete, sie erinnert sich an Lisas blasse Haut, an den gelben Bikini, und wie sie sich die Augen mit der Hand abschirmt und hinaufblickt. Danach verschwimmt alles, Stephanie weiß nicht, wann die beiden nicht mehr da waren. Minna kann sie nicht fragen; während der paar Telefonate, die sie seit ihrem Besuch geführt haben, hat sie sich geweigert, darüber zu sprechen.
Du irrst dich. Das ist ausgechlossen, Steph, völlig ausgeschlossen. Du lieber Himmel, schließ endlich damit ab.
Wen könnte sie fragen? An wen könnte sie sich wenden? Dave war nicht dabei. Jonny und Liam waren unten am Wasser. Die Peters? Die Pattersons? Hatten die nicht längst alles vergessen? Außerdem, wie sollte sie die Leute konfrontieren? Womit sollte sie die Fragen begründen? Sie stellt sich die Reaktionen vor ist seit Jahren nicht hier gewesen, hat ihren Vater kaum besucht, und jetzt kommt sie an und will alte Wunden wieder aufreißen.
Sie starrt auf den Monitor. Wen könnte sie fragen? Wen?
Die Antwort ist so offensichtlich. Vielleicht kann Lisa sich erinnern.
Abgesehen davon, dass Stephanie nicht weiß, wo Lisa ist. Wer sie
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