Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
wieder ins Auto zu steigen und weiterzufahren. Aber sie hat keine Wahl. Es ist der erste Schritt, die erste Bewährungsprobe. Sie steigt ein, startet den Motor.
Die letzte Straße links vor dem Ortsausgang. Sie biegt ab und fährt langsam bergauf. Oben auf der Kuppe endet die asphaltierte Straße, und das Auto ruckelt über losen Schotter. Sie entdeckt einen grünen Briefkasten, auf dem in großen schwarzen Buchstaben der Name Stevens aufgepinselt ist. Sie biegt in die Einfahrt, kommt an einem Zaun und an Lagerhallen vorbei, bevor sie vor dem Haus stehen bleibt. Es wirkt solide und gedrungen. Roter Backstein. Die Rosen im Vorgarten sind fast bis auf den Boden zurückgeschnitten, neben der Treppe, die auf eine breite, von einem schmiedeeisernen Geländer gesäumte Terrasse führt, stehen Lavendelbüsche. Sie drückt auf den Klingelknopf.
Sie hat zugenommen, ihr Gesicht ist runder geworden, aber sie ist immer noch Lisa. Sie trägt ein Sweatshirt und eine Jogginghose, hat ein Kleinkind auf der Hüfte. Sie mustert Stephanie misstrauisch.
»Sie verkaufen hoffentlich keine Staubsauger? Denn …«
»Nein, nein. Sie sind Lisa, oder? Sie hießen doch früher Lisa Green? Wahrscheinlich können Sie sich nicht an mich erinnern. Ich bin Stephanie Anderson.«
Lisa wirkt verwirrt. »Aus Wanaka?«
»Ich dachte, vielleicht könnte ich kurz mit Ihnen reden?«
»Mit mir? Worüber?«
»Das ist ein bisschen kompliziert. Könnte ich … Hätten Sie was dagegen, wenn ich reinkomme?«
»Ich warte auf den Schulbus. Ich muss gleich los, die Kinder abholen.«
»Es wird nicht lange dauern.«
»Tja dann … okay.«
Stephanie folgt ihr durch den Flur in die Küche. Lisa setzt das Kind neben einen Spielzeughaufen. Neben dem Küchentresen steht ein Bügelbrett, aus einem grünen Kachelofen, über dem ein Drahtgestell mit Wäsche hängt, bullert die Hitze.
»Heute Morgen war es eisig kalt, da habe ich das Ding angeschmissen. Und jetzt ist es zu warm. Im Moment weiß man nie, wie das Wetter wird. Möchten Sie einen Tee? Was wollen Sie von mir?«
Die glamouröse Lisa macht sich Gedanken über das Wetter und über Kohleöfen.
»Danke, ein Tee wäre schön. Tja, ich …«
»Milch? Zucker?«
»Nur Milch, danke.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, mache ich damit weiter.« Sie nimmt das Bügeleisen in die Hand. »Also?«
»Ich lasse mich gerade zur Psychiaterin ausbilden. Zu meinem Studium gehört, eine Hausarbeit über einen traumatischen Vorfall in meiner Kindheit zu verfassen. Ich schreibe über den Tag, an dem meine Schwester verschwand. Wissen Sie noch, was mit Gemma passiert ist?«
»Ja, natürlich. Wir furchtbar. Ich verstehe aber nicht, was ich …«
»Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus, dass ich einfach so hereingeschneit bin, aber ich muss mit Leuten sprechen, die damals vor Ort waren, um, na ja, um mir ein genaueres Bild zu machen.«
Lisa hält den Kopf über ein kariertes Hemd gebeugt. Schwer zu sagen, was sie gerade denkt.
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Ich habe Ihren Bruder angerufen.«
»Oh, ja, er hat mir erzählt, dass jemand für mich angerufen hat. Er konnte sich leider nicht an Ihren Namen erinnern. Sie sind Psychiaterin, sagen Sie?«
»Ja, bald.«
»Das muss Ihnen alles sehr schwerfallen. Sicher würden Sie den Tag am liebsten vergessen?«
»Es gehört zur Ausbildung, sich mit den eigenen Problemen auseinanderzusetzen.«
»Und Sie wussten noch, dass ich dabei war?«
»Sie saßen damals ganz in der Nähe. Sie hatten einen gelben Bikini an. Ich fand Sie unglaublich schick.«
Ihr Blick hellt sich auf, und sie schmunzelt. »Ja, der Bikini. Der würde mir heute nicht mehr passen.« Sie nimmt eine Jeans aus dem Wäschekorb. »Was möchten Sie wissen?«
»Egal, was immer Ihnen einfällt.«
»Ich weiß noch, wie schlecht es mir ging, als ich von der Sache hörte. Erinnern Sie sich, dass ich manchmal bei Ihren Eltern eingeladen war? Zum Grillen, zum Abendessen und so. Gemma war so ein süßes kleines Ding. Sorry. Tut mir leid, das hätte ich nicht sagen dürfen, sicher wollten Sie das nicht hören, es muss für Sie …«
»Ist schon gut. Es ist lange her. Gemma war tatsächlich süß.«
»Keiner weiß, was damals passiert ist, oder? Ist man nicht zu dem Schluss gekommen, dass sie ertrunken ist?«
»Das ist wahrscheinlich. Ich habe mich nur gefragt, was Sie noch wissen. Zum Beispiel, ob Sie bei der Suche dabei waren.«
»Ja, ich habe mitgemacht.«
»Vielleicht können Sie mir erzählen, wie es
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