Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
Wäre eine Pension für Sie in Ordnung?«
Eigentlich sollte sie fragen, welchen Preis diese Aline Wells verlangt, aber sie braucht unbedingt eine Unterkunft. Falls die Pension zu teuer ist, wird sie nur für eine Nacht dort bleiben und morgen neue Pläne schmieden. »Ja, danke.«
Die Frau greift zum Telefonhörer. »Wie lange möchten Sie bleiben?«
»Oh, eine Nacht vielleicht. Oder zwei.«
»Aline? Ich habe hier jemanden, der ein Zimmer braucht. Nur für ein, zwei Nächte. Eine sehr nette junge Frau. Oh, ich verstehe. Ja. Ja. Okay, ich werde sie fragen.« Sie legt eine Hand über die Muschel. »Sie ist ausgebucht. Aber sie hat noch ein Zimmer außerhalb des Hauses, das sie Ihnen überlassen würde.«
»Okay, das nehme ich.«
Sie sitzt wieder im Auto. Fahren Sie immer Richtung Norden, dann sehen Sie irgendwann zu Ihrer Linken das Schild. Vista’s Retreat. Aline Wells steht schon in der Tür. Sie hat kurze ergraute Locken, trägt ein geblümtes Kleid und lächelt; eine herzliche, auf Anhieb sympathische Frau. Stephanie spürt das Verlangen, sich in ihre Arme zu werfen, ihr alles zu erzählen, sich trösten zu lassen und zu hören, dass alles gut wird.
»Ich zeige Ihnen das Zimmer, und dann koche ich Ihnen erst mal einen Tee. Haben Sie eine weite Reise hinter sich? Oh, das ist eine ordentliche Strecke! Normalerweise vermiete ich das Apartment nicht, es handelt sich um einen alten Schuppen, den Don ausgebaut hat. Aber wenn es ein Notfall ist …«
Stephanie folgt ihr zu einem winzigen, quadratischen Holzhäuschen mit Veranda. Drinnen entdeckt sie eine Küchenzeile, einen Tisch, einen Stuhl, einen Kleiderschrank und ein schmales Bett mit dunkelrosa Steppdecke. Das Zimmer riecht ein bisschen klamm.
»Dort in der Ecke steht der Ofen, falls Ihnen kalt wird. Hinter der Tür ist das kleine Badezimmer, schauen Sie. Und in der Küchenzeile finden Sie Wasserflaschen und eine Mikrowelle.« Aline sieht sie unsicher an. »Ist das in Ordnung für Sie? Nicht gerade luxuriös, ich weiß.«
»Es ist in Ordnung, wirklich. Danke, dass Sie es mir überlassen wollen. Was kostet es pro Nacht?«
»Ich gebe es Ihnen für vierzig Dollar, inklusive Frühstück. Wenn Sie abends mitessen wollen, kostet Sie das, sagen wir, zehn Dollar extra. Sagen Sie bitte einfach rechtzeitig Bescheid, ob Sie zum Essen kommen.«
»Das ist nicht teuer.«
»Ehrlich gesagt betreibe ich die Pension hauptsächlich, um etwas Gesellschaft zu haben. Wissen Sie, ich bin jetzt verwitwet, da ist es nett, hin und wieder Gäste zu haben. Machen Sie Urlaub?«
»Ich habe mir eine Weile freigenommen und dachte, ich erkunde die Südinsel.«
»Wie nett. Mir persönlich gefällt es hier viel besser als oben im Norden. So, nun werde ich den Tee kochen, und Sie können derweil auspacken.«
Stephanie setzt sich aufs Bett. Sie sollte auspacken. Aber wozu eigentlich? Wahrscheinlich bleibt sie sowieso nur für ein paar Tage. Sie hat hier keine andere Anlaufstelle als diese Erlebnispädagogik-Einrichtung, und wenn er da nicht ist, braucht sie nicht in der Gegend zu bleiben.
Es klopft, und in der Tür erscheint Aline. »Ich bringe Ihnen den Tee. Und hier sind frische Laken.«
»Vielen Dank, Aline.«
»Sie machen einen erschöpften Eindruck. Möchten Sie mit uns zu Abend essen? Es ist genug da.«
Nein, das ist zu viel. Der Parkplatz vor dem Haus ist überfüllt. Stephanie hat keine Lust, in einem Raum voller Touristen und Bowlingspieler zu sitzen, sich unterhalten zu müssen, Fragen zu beantworten und Interesse vorzugeben seit dreißig Jahren bowlen Sie schon? Wow, das ist ja unglaublich.
»Nein, danke, heute nicht«, sagt sie.
»Wie Sie meinen. Frühstück gibt es zwischen acht und halb zehn. Obst und Müsli oder Eier mit Schinken, wenn Sie lieber was Warmes möchten.«
»Danke.«
Aline bleibt auf der Schwelle stehen, wirkt zögerlich. »Dann sehen wir uns morgen früh?«
Stephanie lächelt höflich ja, danke, vielen Dank, vielen herzlichen Dank. Sie hat Hunger, sie hat nichts eingekauft, sie sollte in die Stadt zurückfahren, aber es geht nicht, noch nicht. Sie streckt sich auf dem Bett aus. Du liebe Güte, wird sie die nächsten sechs Monate damit zubringen, ziellos durch Neuseeland zu irren in der vagen Hoffnung, irgendwann Ed Black zu begegnen?
Sie schließt die Augen und wacht später im Dunkeln auf. Für einen kurzen Moment will ihr partout nicht einfallen, wo sie sich befindet. Draußen heult und jault der Wind, und die Äste der Bäume klopfen an die
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