Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
gesucht. Einen anderen Namen angenommen. Vielleicht sollte sie sich vor dem College in die Büsche schlagen und die Mitarbeiter beobachten, die ein und aus gehen.
Ist ja nicht so, als müsste man in dieser Stadt nachts alle Türen verrammeln und verriegeln; hier kommt nicht irgendein Schwein vorbei, um ein Kind aus dem Bett zu holen. So was gibt es hier nicht.
O Gott, was tut sie da? Was tut sie da? Andy ist ein guter Mann, genau wie Dave. Würde ihre Entdeckung, falls sie recht behalten sollte, nicht für noch viel mehr Leid und Schmerzen sorgen? Deine Frau hat eine Affäre mit dem jungen Lehrer angefangen, den du selbst mit nach Hause gebracht hast und dem du vertraut hast. Ward Black, Ed Black hat dein Kind ermordet. Wie kam sie dazu, eine solche Katastrophe auszulösen?
Der Lewis-Pass. Das Schild am Straßenrand warnt: Gefährliche Kurven. Sie hält den Blick auf die Straße gerichtet und die Hände ans Steuer geklammert. Vor ihr fährt ein mit Holz beladener, riesiger, schwankender Schwertransport. Die Baumstämme sind mit Ketten gesichert. Sie tritt aufs Gaspedal und wagt das Überholmanöver, sobald die Straße sich verbreitert. Sie schafft es knapp. Ihr bricht der Schweiß aus, als sich neben ihr die massive Wand aus aufgetürmten Stämmen erhebt. Die nächste Kurve nimmt sie ein bisschen zu schnell, das Auto zittert und bricht fast aus, als sie auf die Bremse tritt.
Irgendwann hat sie sich an die Straße gewöhnt, sie hat sich auf die Abfolge von Kurve – Gerade – Kurve eingestellt und entspannt sich ein wenig. Sie fährt durch einen Birkenwald, entdeckt den Flusslauf neben der Straße und, ganz in der Ferne, die Berge, auf deren Gipfeln die letzten Schneereste leuchten. Sie hält auf dem Parkplatz eines von dichtem Wald umstandenen Hotels und folgt einer Gruppe japanischer Touristen auf einen Wanderpfad. Das Brummen der Zikaden wird nur noch vom Trillern der Singvögel übertönt.
Sie kauft sich an der Bar ein gegrilltes Sandwich und einen Kaffee und setzt sich auf die Hotelterrasse. Aus den nahe gelegenen Mineralquellen steigt Dampf auf; die Luft riecht ganz leicht nach Schwefel. Sie betrachtet die Broschüre auf dem Tisch, liest von der »Heilkraft der mineralischen Quellen«. Die Broschüre informiert sie darüber, dass das Wasser reich an Mineralstoffen ist und die Haut entgiftet und glättet.
Das Sandwich schmeckt gut, der Kaffee ist heiß und stark. Am besten aber gefällt ihr die Landschaft hier, und sie bleibt viel länger sitzen, als sie eigentlich geplant hat. Der Fluss, der Wald, die Berge. Sie geht hinein, bestellt einen zweiten Kaffee, setzt sich wieder auf die Terrasse. Und wenn sie einfach hier bliebe? Sie könnte sich als Küchenhilfe bewerben, am Infobrett des Hotels hängt eine Stellenanzeige aus. Sie könnte sich hier ein neues Leben aufbauen. Wann war sie zum letzten Mal spontan? Warum entspannt sie sich nicht einfach und genießt die sechs Monate, die sie hat? Sie hätte es sich verdient, weiß Gott. Wahrscheinlich wird sie ihn niemals finden.
Und falls doch? Was dann?
Sie nimmt ihre Tasche und geht zum Auto. Sie steigt ein und wirft einen Blick auf die Karte. Sie hat den halben Weg geschafft. Sie wird nicht noch einmal anhalten. Das lenkt sie nur ab. Die Versuchung ist zu groß. Sie lässt den Motor an, fährt auf die Straße.
Sie fährt erst wieder langsamer, als sie die Küstenstraße erreicht, die sie in die Stadtmitte führt. Unten auf dem steinigen Strand liegen Seehunde, die brodelnde See leuchtet in einem öligen Grün. In der Stadt ist viel los, überall Autos und Menschen. Sie parkt in einer Nebenstraße. Sie muss eine Unterkunft finden, möglichst günstig, in der sie für eine Weile bleiben kann. Die Motels und Herbergen an der Hauptstraße werben mit Sparpreisen, aber was ist ein Sparpreis? Vermutlich ist selbst der zu teuer, außerdem hängen vor den meisten Unterkünften ohnehin Belegt -Schilder. Sie wandert die Hauptstraße entlang, bis sie das Schild des Fremdenverkehrsbüros entdeckt.
»Ich bin auf der Suche nach einer Unterkunft.«
»Bis Samstag ist hier das Bowling-Turnier im Gange. Bis dahin kann ich Ihnen hier in der Stadt nichts anbieten.«
»Ich bin den ganzen Weg von Westport hergefahren. Ich will heute nicht noch weiter.«
Die Frau wirft ihr einen mitfühlenden Blick zu. »Sie sind ganz schön müde, was? Hören Sie, versuchen Sie es bei Aline Wells. Sie betreibt außerhalb der Stadt eine kleine Pension. Wenn Sie möchten, rufe ich sie an.
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