Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
will dir wirklich nicht im Weg …«
»Bist du nicht«, fiel er ihr ins Wort, ging zum Tisch und stellte das Glas ab. Auf einmal war er erleichtert, dass sie da war, und dankbar für ihre Gesellschaft.
»War das Dr. Blake?«, fragte sie nach einer Weile.
Er nickte.
Sie stellte ihr Glas ab und stand auf. »Wirklich, ich gehe gern, wenn dir das lieber ist. Ruf sie doch zurück.«
»Das ist keine gute Idee.«
Seufzend schüttelte sie langsam den Kopf, als würde sie alles verstehen. »Ach, Mark – das Leben ist nicht einfach, wie?«
Er wusste genau, was ihr durch den Kopf ging: dass er mit dem Schwanz dachte, und wahrscheinlich hatte sie Recht. »Ich will nicht darüber reden«, sagte er bestimmt. »Bestellen wir endlich das Scheißcurry.«
Ein schneidender Wind fegte über die Hammersmith Bridge und trieb den eiskalten Nieselregen vor sich her. Kelly Goodhart blieb stehen und schloss für einen kurzen Moment die Augen, lauschte auf das Pfeifen des Windes hoch oben in den gotischen Türmen und den schmiedeeisernen Trägern. Es war so kalt, dass sie ihre Zehen in den durchnässten Stiefeln kaum noch spürte, geschweige denn die Finger. Aber all das würde schon bald keine Rolle mehr spielen. Es war kurz vor Mitternacht, und sie würde nicht mehr lange warten müssen.
Als sie das letzte Mal hier gestanden hatte, fast an der gleichen Stelle, war Michael bei ihr gewesen. Sie hatten einen langen Spaziergang entlang des Flussufers unternommen und waren auf der Brücke stehengeblieben, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Danach waren sie auf ein Bier ins The Dove in Hammersmith gegangen, und schließlich zum Abendessen nach Hause. Es war ein Sonntagnachmittag im Spätherbst gewesen und ungewöhnlich warm für die Jahreszeit. Sie hatten auf der kleinen Terrasse hinter dem Haus mit Blick auf den Fluss gesessen, die Ruderboote beobachtet und zufrieden die dunkler werdende Silhouette und die Sportplätze von St. Paul’s gegenüber betrachtet, wo Michael die Schulbank gedrückt hatte.
Über sich am Himmel hörte sie wie immer Flugzeugdröhnen; sie öffnete die Augen, lehnte sich gegen das Eisengeländer und schaute aufs Wasser hinunter. In einem der alten Häuser am gegenüberliegenden Ufer konnte sie den Pub sehen, wo selbst um diese Uhrzeit noch Licht brannte. Die Erinnerung an glücklichere Zeiten trieb ihr die Tränen in die Augen, sie vermischten sich mit dem Regen. Es war alles so weit entfernt jetzt.
Sie wollte nicht mehr daran denken, drehte sich in den Wind und schaute flussabwärts, hielt sich am hölzernen Handlauf fest und betrachtete die modernen, glitzernden Bürogebäude und die umgewidmeten Lagerhäuser in der Ferne, die sich vor dem bewölkten Nachthimmel abzeichneten. Der Fluss schwappte hoch gegen die Uferbegrenzung, die gelblichen Laternen entlang des Ufers spiegelten sich in dem schwarzen Wasser, das von weitem täuschend ruhig aussah. An dieser Stelle beschrieb der Fluss eine scharfe Rechtskurve, Richtung Fulham und Chelsea und den nächsten Brücken, die von hier aus nicht zu sehen waren. Das gegenüberliegende Ufer war dunkel, es war fast unmöglich zu erkennen, wo der Fluss aufhörte und das Ufer begann. Die einzigen Lichter, die durch die dichten, sich wiegenden Bäume drangen, kamen aus den Häusern, die mit dem Rücken zum Fluss standen.
Die altmodischen Straßenlaternen auf der Brücke warfen rötlich gelbe Lichtkegel auf das aufgewühlte Wasser, die Strömung war schnell und riss allen möglichen Abfall mit sich. Sie schaute nach unten und sah einen kleinen Baum oder einen Ast, der wie eine knochige Hand aus dem Wasser ragte und kurz im Lichtschein auftauchte, bevor er vom Fluss weitergerissen wurde und unter der Brücke verschwand. Es war, als hätte er ihr zugewinkt, und sie spürte den unsichtbaren Sog des Wassers, das sie zu sich rief, sie nach unten zog. Sie dankte Gott, dass die Dunkelheit, die sie schon so lange umgab, bald ein Ende haben würde.
Sie hörte das Rattern von Autoreifen auf der Brücke, der Wagen kam auf sie zu, für einen kurzen Moment wurde sie von den Scheinwerfern geblendet und wandte sich ab. Sie zog sich in den Schatten eines der riesigen Pfeiler zurück und stopfte die kalten Hände in die Taschen. Um diese Zeit herrschte nur wenig Verkehr, es war erst der vierte Wagen gewesen, den sie in zehn Minuten gesehen hatte, außerdem einen einsamen Fußgänger, einen älteren Mann, der mit seinem Labrador Gassi ging. Er hatte sich so tief in Hut und Mantel
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