Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
eingemummelt, dass er sie nicht einmal angesehen hatte, als er an ihr vorbeiging.
Sie konnte unmöglich still stehen, vor Nervosität und vor Kälte, und so überquerte sie noch einmal die Brücke und lauschte auf das hohle Dröhnen ihrer Schritte. Wieder ging sie im Kopf die Checkliste durch: die Nachricht und das Geld für die Putzfrau auf dem Küchentisch, daneben die Autoschlüssel und der Brief an ihren Bruder mit den Daten ihres Bankkontos und dem restlichen Vermögen, und das Testament mit der kurzen Liste, wem sie was vermachte, und den Anweisungen für ihre Beerdigung. Alles in Ordnung, beruhigte sie sich. Sie hatte an alles gedacht.
Nach allem, was sie gelesen hatte, war Ertrinken eine angenehme Art, sich aus dem Leben zu verabschieden. Wenn sich die Lungen mit Wasser füllen, erlebt man eine Art Rauschzustand, ein Gefühl der Euphorie und der Leichtigkeit. Und wenn man nicht sofort ertrank, starb man in einer Nacht wie dieser an Unterkühlung, und das fühlte sich ganz ähnlich an. Sie war keine gute Schwimmerin, weshalb sie wahrscheinlich ertrinken würde, obwohl ihr das im Grunde gleichgültig war. Wichtig war nur, dass es in dieser Nacht geschah.
Sie sah auf die Uhr. Kurz nach Mitternacht. Er hatte gesagt, er würde mit der U-Bahn kommen, und sie blieb stehen und spähte angestrengt über die Brücke Richtung Hammersmith. Aber da war niemand. Er war erst wenige Minuten zu spät, aber jede Sekunde zählte, und ihre Anspannung wuchs. Als sie am Morgen miteinander telefoniert hatten, hatte er ihr sein Wort gegeben, dass er kommen, dass er sie nicht im Stich lassen würde. Mit dem Daumen drehte sie ihren Ehering in der Tasche um den Finger und fragte sich ängstlich, was sie tun sollte, wenn er nicht kam. Sie wusste, dass sie es allein nicht schaffen würde, aber der Gedanke, noch einen Tag länger zu leben, war unerträglich. Er würde sie gewiss nicht enttäuschen.
Um sich zu beruhigen, ging sie weiter, dabei trat sie fest auf, um sich zu wärmen. Sie war schon fast auf der anderen Seite, als sie in der Ferne eine Bewegung wahrnahm, dann sah sie die kleine, dunkle Gestalt, die unten auf der Straße, kurz vor der Brücke, auf sie zukam. Unsicher blieb sie stehen und strengte die Augen an, ihr stockte der Atem. Die Silhouette sah aus wie ein Mann. Vielleicht war er es. Während er langsam näherkam, versuchte sie in dem orangefarbenen Licht der Straßenlaterne sein Gesicht auszumachen, dabei war sie sich längst sicher, seine große, breitschultrige Gestalt und den weit ausholenden, beschwingten Gang zu erkennen, der so auffällig war. Mit Tränen in den Augen stieß sie die Luft aus, sie seufzte vor Erleichterung und schlang die Arme fest um sich. Wie dumm von ihr, sich Sorgen zu machen. Er war gekommen, wie er es versprochen hatte, und mit freudiger Erregung sah sie ihm entgegen.
Vierzehn
Tartaglia betrat Zimmer Drei der Wache Ealing, wo ein jugendlich wirkender Mann Donovan gegenüber am Tisch saß und sich angeregt mit ihr unterhielt.
»Entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte Tartaglia und schmetterte die Tür mit einem Fersentritt zu.
Donovan sah ihn fragend an, der Mann hingegen lächelte und zuckte gut gelaunt mit den Schultern, als hätte er alle Zeit der Welt.
»Kein Problem«, sagte er. »Sergeant Donovan hat sich meiner angenommen. Ich war gerade dabei zu erzählen, was passiert ist.«
»Darf ich vorstellen: Adam Zaleski«, sagte Donovan. »Er hat mir gerade geschildert, wie er den Mann aus der Kirche hat laufen sehen.«
Zaleski lächelte Donovan freundlich zu, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schob sich die kleine Metallbrille die Nase hoch. Er war jung und schlank, sein kurzes dunkles Haar war nass vom Regen. Er trug einen nüchternen grauen Anzug mit schlichter marineblauer Krawatte, offensichtlich war er auf dem Weg ins Büro.
Tartaglia legte Helm und Handschuhe in einer Ecke auf dem Fußboden ab und fingerte am Reißverschluss seiner patschnassen Jacke herum. Ein gutes Gefühl, sie endlich ausziehen zu können. Energisch schüttelte er die Regentropfen ab, bevor er sie an den Garderobenständer hinter der Tür hing. Trotz der wasserdichten Kleidung hatte er das Gefühl, dass der eiskalte Regen ihn bis auf die Knochen durchnässt hatte. In dem kleinen, stickig warmen Raum brannten ihm die Wangen, seine Finger fühlten sich an wie Eiszapfen.
Der Tag hatte schon schlecht angefangen. Aus irgendwelchen Gründen hatte er verschlafen und war mit flauem Gefühl im Magen
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