Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
gefährlichen Dinge auf sie warteten.
Neunzehn
Das Café Montmartre war neu und glänzte mit frischer Farbe, neuer Deko und neuen Möbeln. Man hatte den Versuch unternommen, die Atmosphäre des französischen Originals nachzubilden, aber mit den fliederfarbenen Wänden, den schäbigen goldenen Spiegeln und den Messinglampen war nur ein billiger Abklatsch ohne jede Atmosphäre entstanden. Noch dazu waren alle möglichen Details falsch geraten, dachte Tom, während er einen großen Klecks Marmelade auf sein Croissant strich. Erstens aß der Franzose, soweit er sich erinnern konnte, keine Marmelade. Vielmehr verarbeiteten sie Orangen zu einem unangenehm süßen und klebrigen Etwas, das nichts von der beißenden Bitterkeit und der Schärfe einer anständigen englischen Marmelade besaß. Wenigstens wurde das Zeug hier in kleinen Schälchen serviert und war damit sicher vor der Verunreinigung durch anderer Leute Buttermesser oder, schlimmer noch, Toastkrümel. Widerwillig musste er sich eingestehen, dass sie nicht allzu schlecht schmeckte, wenn auch mit der seiner Großmutter nicht zu vergleichen. Sie schnitt die Schale in schöne dicke Streifen, und manchmal gab sie Brandy hinzu. Sie machte die beste Marmelade, die er je gegessen hatte, aus Pomeranzen, die einmal im Jahr kurz vor Weihnachten frisch auf den Markt kamen. Er erinnerte sich an das Glücksgefühl, wenn er brav gewesen war und den Topf und den Löffel auslecken durfte. Zum Glück hatte die alte Hexe gerade eine frische Ladung gekocht, bevor er sie abgemurkst hatte, damit würde er noch eine ganze Weile auskommen.
Er biss ins Croissant. Die Butter war natürlich gesalzen, im Gegensatz zu französischer Butter, aber das Croissant war durchaus annehmbar, wenn auch ein wenig zäh. Was man vom Kaffee nicht sagen konnte, den hatte er zweimal zurückgehen lassen. Die Kellnerin sah reichlich angenervt aus und hatte keinen Schimmer, was er von ihr wollte, und als er statt kalter heiße Milch verlangt hatte, hielt sie ihn offensichtlich für kompliziert. Soweit er das beurteilen konnte, stammte sie aus Russland oder irgendeinem unkultivierten osteuropäischen Dreckloch. Kein Wunder, dass sie keine Ahnung hatte. Aber ihr Betragen ließ doch sehr zu wünschen übrig. Trinkgeld würde sie jedenfalls nicht bekommen, und falls sie die Unverschämtheit besitzen sollte, ihm den Service auf die Rechnung setzen zu wollen, würde er das streichen.
Mit ihrem ahnungslosen Lächeln, wenn sie bei jedem Satz, den sie von sich gab, die englische Sprache vergewaltigte, erinnerte sie ihn an Yolanda. Auch eine dieser dummen Schlampen, die hier leben wollten und sich nicht die geringste Mühe gaben, die hiesige Sprache zu lernen. Sie kamen nur her, weil sie Spaß haben wollten. Flittchen. Und schuld waren die EU und der idiotische britische Steuerzahler. Aber in gewisser Weise kam ihm das zupass. Die Medien wollten ihm die Tour vermasseln, die alte Masche würde nicht mehr funktionieren. Aber es war ohnehin Zeit für einen Wechsel, und es war reizvoll, etwas Neues zu probieren. Da war also die kleine Yolanda, die keinen Schimmer hatte, was in der großen weiten Welt vor sich ging. Sie war reif zum Pflücken. Er konnte es nicht fassen, dass diese Leute sie angestellt hatten, um auf ihre Kinder aufzupassen. War den Eltern heutzutage denn alles egal? Oder waren sie so sehr mit ihrer Arbeit und ihrem eigenen Leben beschäftigt, dass sie sich um nichts anderes mehr kümmerten? Seine Talente waren bei ihr vollkommen verschwendet, trotzdem würde er die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Sie legte es doch drauf an, die dumme kleine Göre.
Er überflog die Schlagzeilen der Tageszeitung und blätterte durch die ersten Seiten, dann legte er sie neben sich auf die rote Kunstlederbank. Es stand nichts über ihn drin heute, was ein klein wenig enttäuschend war. Womöglich war das ein Trick, damit er sich unwichtig vorkam. Auch der Spitzname, den sie ihm verpasst hatten, gefiel ihm gar nicht. »Der Bräutigam«. Das klang ziemlich lasch, außer sie dachten an den Tod als einen Bräutigam. Jedenfalls hatte es nicht den gleichen Schmiss wie »Der Yorkshire Ripper« oder »Der Stalker in der Nacht«. Aber vielleicht würden sie sich etwas Fantasievolleres einfallen lassen,wenn sie seine Talente erst zu schätzen gelernt hatten. Bislang hatten sie nicht einmal die Hälfte gesehen.
Die Kellnerin knallte ihm eine Tasse auf den Tisch, in der wohl Cappuccino sein sollte. Durch die
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