Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
auftischen würde. Tartaglia konnte sich Kennedys Ton der Entrüstung genau vorstellen: »Ich wollte nur sichergehen, dass Carolyn nichts passiert, dass da niemand im Garten herumschleicht.« Die Mail, die sie von Tom bekommen hatte, lieferte ausreichend Grund zur Besorgnis, und Steele würde Kennedy glauben. Und außerdem, wie um alles in der Welt sollte Tartaglia selbst erklären, was er hier tat? Während er noch darüber nachdachte, klingelte sein Telefon. Er beugte sich vor und hielt es dicht vor die Brust, um das Läuten zu dämpfen, dabei sah er Fiona Blakes Namen auf dem Display. Nach kurzem Zögern klappte er das Handy auf.
»Mark. Ich bin’s. Können wir reden?« Ihre Stimme klang heiser und belegt.
»Wann dachtest du?«, flüsterte er, ohne Steeles Vorgarten aus den Augen zu lassen.
»Ist die Verbindung schlecht? Ich kann dich kaum hören. Ich weiß, es ist spät, aber ginge es jetzt? Kann ich zu dir kommen?«
»Ich bin nicht zu Hause. Ich bin gerade beschäftigt.«
»Oh.« Sie klang enttäuscht. »Dann morgen?«
»Mal sehen. Ich ruf dich an, wenn ich Feierabend mache. Ich muss jetzt auflegen.« Kennedy war wieder auf dem Gartenweg aufgetaucht, und Tartaglia drückte den roten Knopf, bevor sie antworten konnte.
Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick zu Steeles Fenster stieg Kennedy wieder in den Wagen und fuhr davon. Tartaglia wartete noch ein paar Minuten, um sicherzugehen, dass er nicht zurückkam, dann ließ er den Motor an. Und beschloss, Kennedy im Auge zu behalten.
Carolyn Steele trat sich die Schuhe von den Füßen, warf den Mantel über die Sofalehne im Wohnzimmer und ging von Zimmer zu Zimmer, um alle Vorhänge und Rollos zuzuziehen und nachzuschauen, ob sämtliche Fenster, die Wohnungstür und die Terrassentüren hinten abgeschlossen waren. Alles nur wegen dieser blöden E-Mail. Irrationale Ängste waren der Preis dafür, dass sie sich entschieden hatte, allein zu leben, sagte sie sich, aber sie neigte ohnehin dazu. »Nachtängste« hatte ihr Vater das genannt, wenn sie damals als kleines Mädchen nicht hatte einschlafen können oder mitten in der Nacht weinend aufgewacht war. Hatte alles mit irgendwelchen Chemikalien im Gehirn zu tun, wie sie in einer Zeitschrift gelesen hatte. Aber das machte es nicht besser. Würde der Trost, jemanden neben sich im Bett zu wissen, die Ängste vertreiben? Sie bezweifelte es.
Seit über zehn Jahren lebte sie in dieser Wohnung und hatte viel Zeit und Geld darauf verwendet, sie genau so herzurichten, wie sie es ihr gefiel. Die Decken waren zwar niedrig, aber sie hatte große Fenster vorn und hinten, die fast bis auf den Boden reichten, und tagsüber war die Wohnung hell und luftig. Sie hatte sich viel Mühe gegeben, alles gemütlich und einladend zu gestalten, hatte einen farbenfrohen Teppich gekauft, um den trüben beigen Teppichboden aufzuhellen, hatte einen Gaskamin in die alte Feuerstelle einbauen lassen und darüber einen antiken Spiegel gehängt. Rechts und links vom Kamin standen Schränke mit Regalbrettern für ihre Bücher und CDs und die wenigen Kleinigkeiten von emotionalem Wert, wie die Fotos von ihrem Neffen und ihrer Nichte und das viktorianische Nähkästchen mit den feinen Intarsien aus Elfenbein, das einst ihrer Großmutter gehört hatte.
An keinem anderen Ort fühlte sie sich wohler als in dieser Wohnung. Und trotzdem konnten sich plötzlich und unerwartet überall dunkle Nischen auftun, und manchmal musste sie mit Licht schlafen. Vielleicht hätte sie Patrick doch noch auf einen Kaffee hereinlassen sollen, nur heute Abend. Er hatte das selbst vorgeschlagen und war ziemlich hartnäckig gewesen, was sie geärgert hatte. Er war so verdammt überheblich und selbstgefällig, und sie konnte es nicht leiden, sich in die Ecke gedrängt zu fühlen. Vielleicht hätte es ihr gutgetan, sich noch ein wenig mit ihm zu unterhalten, aber sie fürchtete, dass es nicht dabei geblieben wäre. Lieber unfreundlich sein, als etwas Unüberlegtes tun, das sie später bereuen würde.
Sie hatte hämmernde Kopfschmerzen, holte sich ein paar Hedex aus dem Badezimmerschrank und ging in die schmale Küche, suchte im Schrank nach der Kakaodose und entdeckte eine Flasche Single Malt Whisky, den sie zwei Jahre zuvor von einem Verehrer zu Weihnachten bekommen hatte. Mit dem schicken Label sah er beeindruckend teuer aus. Sie trank so gut wie nie harten Alkohol, und so hatte der Whisky seither unberührt hinter den Baked Beans im Schrank gestanden. Wohl wissend,
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