Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
man dabei Gesellschaft braucht, erst recht nicht jemanden, den man gar nicht kennt.«
»Vielleicht haben diese Leute Angst, dass sie es allein nicht fertigbringen. Vielleicht wollen sie moralische Unterstützung.«
»Aber das ist doch verrückt, oder nicht? Stellen Sie sich folgendes Szenario vor …« Fullerton stocherte mit der abgekauten Spitze seiner Pfeife in die Luft. »Ich weiß nicht, ob Sie je ein Blind Date hatten, jedenfalls kann das ziemlich merkwürdig sein. Man geht zum vereinbarten Treffpunkt, und irgendwann spaziert der andere herein, und er ist überhaupt nicht so, wie er sich beschrieben hat. Man fühlt sich getäuscht, und vielleicht kann man ihn auf Anhieb einfach nicht leiden. Was macht man dann? Sagt man, es war alles nur ein Irrtum, und geht nach Hause?«
»Schlimmer noch: Was, wenn sich herausstellt, dass der andere sich gar nicht wirklich umbringen, sondern einem nur beim Sterben zugucken will?«
Fullerton, der gerade dabei war, seine Pfeife neu anzuzünden, hielt mitten in der Bewegung inne. »Das ist richtig krank«, sagte er und schüttelte angewidert den Kopf.
»Da gebe ich Ihnen Recht. Aber womöglich haben wir es genau damit zu tun«, sagte Tartaglia und überflog Kellys letzte Mails an Chris, die wenige Tage vor dem Ereignis auf der Brücke geschrieben worden waren.
Er las ein paar Sätze vor.
Kann ich Dir wirklich vertrauen? Woher soll ich wissen, dass Du der bist, der zu sein Du vorgibst, dass Du mich nicht anlügst? Verzeih, wenn ich so direkt frage. Wenn Du es wirklich ernst meinst, will ich Dich nicht abschrecken. Ich habe Dir ja von meinem letzten Erlebnis erzählt, da verstehst Du sicherlich, warum ich vorsichtig geworden bin. Es gibt so viele seltsame Menschen. Ich kann nur beten, dass Du nicht so einer bist. Ist Chris Dein echter Name? Oder bist Du Tony und versuchst schon wieder, mich zu täuschen? Bitte ruf mich an, damit ich beruhigt sein kann. Ich will es wirklich tun, und ich will nicht mehr warten.
»Chris, Tony, ganz schön verworren alles, oder?«, sagte Fullerton.
»Unser Mann hat viele Namen. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht beurteilen, was hier vor sich geht. Ich werde noch einige E-Mails von ihr lesen müssen.«
Fullerton seufzte, zog mit schmatzendem Geräusch an seiner Pfeife und paffte eine Rauchwolke in die Luft. »Ich hatte befürchtet, dass Sie das sagen würden. Wie viele wollen Sie?«
»Fangen wir mit dem letzten Jahr an. Wie lange brauchen Sie dafür?«
»Wir machen uns sofort an die Arbeit, aber wir sind ziemlich knapp besetzt im Moment, und ich kann nur zwei Leute entbehren. Können Sie uns noch jemanden schicken?«
»Wir sind auch unterbesetzt, aber ich werde mit DCI Steele reden, vielleicht finden wir noch jemanden, den wir herschicken können. Zumindest haben wir jetzt gute Gründe, uns in die Ermittlungen einzuschalten«, sagte Tartaglia und schaute auf die Uhr. Am besten sollte er Steele sofort anrufen. In einer halben Stunde wurde er im Krankenhaus bei Trevor erwartet, da blieb nicht die Zeit, nach Barnes zurückzufahren. Danach hatte er sich, wenn auch etwas widerwillig, mit Fiona Blake auf einen Wein verabredet. »Gibt es Neuigkeiten von der Spurensicherung?«
Fullerton schüttelte den Kopf. »Ich rufe sie noch mal an, um ihnen Beine zu machen. Die wissen, dass der Fall oberste Priorität hat, aber das ist ja immer so heutzutage.«
Tartaglia stand auf, und Fullerton brachte ihn zur Tür.
»Was wissen wir über Kelly Goodharts Umfeld?«
»Ich habe mit ihrem Chef gesprochen«, sagte Fullerton. »Er hat sie als vermisst gemeldet. Er klang ziemlich erschüttert, aber er meinte, völlig überrascht sei er nicht. Er sagte, Kelly sei schon seit einiger Zeit depressiv gewesen, und er war der Meinung, dass sie in Therapie war. Er hat erzählt, dass sie mit einem Anwalt aus der Kanzlei verheiratet war. Die beiden haben ihre Flitterwochen in Sri Lanka verbracht und sind vom Tsunami erwischt worden. Ihr Mann ist ums Leben gekommen, und seine Leiche wurde nie gefunden. Offensichtlich ist sie damit nicht fertiggeworden.«
Donovan hatte fast den ganzen Tag gebraucht, Nicola Slade ausfindig zu machen. Sie war in den letzten zwei Jahren mehrmals umgezogen und lebte jetzt in einer WG im Erdgeschoss eines großen Reihenhauses in Cricklewood. Sie arbeitete als Aushilfslehrerin an der Grundschule des Viertels und war gerade nach Hause gekommen. Eine mollige junge Frau von Ende zwanzig oder Anfang dreißig, ungefähr so klein wie
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