Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
schien wenig erfreut, dass ihm ein solcher Fall in den Schoß geplumpst war.
Sein Team hatte damit angefangen, die E-Mail-Korrespondenz der letzten drei Monate durchzugehen, aber auf dem Computer waren Mails aus mehreren Jahren gespeichert, die alle gelesen werden mussten, sollte sich der Verdacht erhärten, dass Kelly womöglich ermordet worden war. Abgesehen von dem einen oder anderen Online-Einkauf oder ein paar Theaterkartenbuchungen war der Großteil ihrer Mails an Verwandte und Freunde in den USA gerichtet. Nur im letzten Monat hatte Kelly mehr als ein Dutzend Mails an einen Mann geschrieben, der sich Chris nannte. Sie endeten mit der Vereinbarung, sich auf der Hammersmith Bridge zu treffen und gemeinsam Selbstmord zu begehen.
Tartaglia war überrascht, wie sehr sich Chris’ Mails in Ton und Stil von denen unterschieden, die Tom den drei Mädchen geschrieben hatte. Die Mails von Chris an Kelly waren kurz, fast nüchtern. Bei der Diskussion über die Idee des Selbstmords und wann und wo sie sich treffen und wie genau sie sich das Leben nehmen wollten, hörten sie sich an wie zwei Leute, die sich über den günstigsten Weg zum Flughafen unterhielten. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass Chris sie irgendwie unter Druck gesetzt hätte, und beim ersten Lesen klang er nicht im Mindesten wie Tom. Aber vielleicht war Tom klug genug, seine Vorgehensweise an einen Menschen wie Kelly anzupassen, die offensichtlich entschlossen war, sich umzubringen, ohne noch überzeugt werden zu müssen.
»Haben Sie eine Ahnung, wie die beiden sich getroffen haben?«, fragte Tartaglia.
Fullerton schüttelte den Kopf. »Aus dem, was wir bisher gefunden haben, ist das nicht herauszulesen. Aber wahrscheinlich war das auf einer dieser verdammten Selbstmordseiten. Die sind so etwas wie Kontaktanzeigen, wo Wildfremde zusammenfinden, um sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Es gibt Hunderte davon auf der ganzen Welt. Wenn es nach mir ginge, würden die verboten werden. Es ist schrecklich, diese armen Schweine noch zu ermutigen und ihnen Tipps zu geben, wie man’s am besten anstellt und so was.«
Tartaglia blätterte durch die E-Mails und nickte zustimmend. Chris hatte einen Selbstmord-Leitfaden von einer dieser Websites in seine Mail kopiert und Kelly gefragt, welche Methode ihr am meisten zusagte, woraufhin sie in schneller Abfolge eine Reihe kurzer, sachlicher E-Mails gewechselt hatten.
Hast Du irgendwelche Vorlieben? An Schlaftabletten zum
Beispiel ist wenigstens leicht ranzukommen.
Die Vorstellung, mich aufzuhängen, gefällt mir persönlich
nicht so …
Die Sache mit dem Gasgrill im Auto scheint mir ein recht
schmerzloser Weg, zu gehen. Wahrscheinlich würden wir
nach einer Weile einfach wegdösen …
Vielleicht wäre es nett, schöne Musik zu hören, aber dann
müssten wir uns natürlich einigen, welche, und ich schätze
, wir haben nicht den gleichen Geschmack. Aber wenn die
Idee dir zusagt, könnten wir uns bestimmt einigen …
Hast du ein Auto? Ich hab meins vor ein paar Monaten
verkauft …
Irgendwelche Ideen, wo wir es machen könnten? Ich mag
die South Downs, oder vielleicht irgendeinen Ort am Meer.
Oder möchtest Du lieber in London bleiben?
Ehrlich gesagt, mir ist das egal. Ich will’s einfach nur hinter
mich bringen, genau wie Du …
Anscheinend hatte Kelly die Hammersmith Bridge vorgeschlagen, aus »sentimentalen Gründen«, auf die sie augenscheinlich nicht näher hatte eingehen wollen.
Fullerton zog Pfeife und Tabakbeutel aus der Brusttasche seines Jacketts. »Ziemlich verrückt, das Ganze, finden Sie nicht?«, sagte er, nachdem er die Pfeife gestopft und angezündet hatte. Er blies mehrere Wolken des beißenden Rauchs in die Luft.
Der Geruch rief bei Tartaglia unweigerlich Erinnerungen an seinen Großvater wach, dessen Namen er trug und der sein ganzes Leben lang Pfeife geraucht hatte, auch noch auf dem Sterbebett. Die gesammelten Paraphernalien des Pfeiferauchens, die Ständer, die Kollektion gebrauchter alter Pfeifen und Reiniger und die altmodischen gedrechselten Holztöpfe, in denen die Tabakbeutel aufbewahrt wurden, bevölkerten nun den Kaminsims des kleines Arbeitszimmers seines Vaters in Edinburgh. Keiner brachte es über sich, sie wegzuwerfen.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Tartaglia.
»Na ja, ich kann verstehen, dass jemand so unglücklich ist, dass er die Lust am Leben verliert und sich umbringen will. Das ist sein gutes Recht. Aber ich kann nicht begreifen, dass
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