Komm stirb mit mir: Thriller (German Edition)
dass sie sich davon kaum besser fühlen würde, öffnete sie die Flasche und goss sich einen kleinen Schluck ein, einfach so. Der Whisky war scharf und auf unangenehme Weise rauchig, aber sie war fest entschlossen, ihn zu trinken. Vielleicht würde sie in ausreichend betrunkenem Zustand alles vergessen und schlafen können. Sie nahm das Glas mit ins Wohnzimmer und ließ sich in einem der großen, niedrigen Sessel nieder, dann zappte sie durch sämtliche Fernsehkanäle, bevor sie die Kiste angewidert ausschaltete. Wie immer gab es nichts, was sich anzusehen lohnte.
Sie kippte den Rest Whisky, ging ins Schlafzimmer und zog sich aus. Dann drehte sie die Dusche auf, stellte sich unter den Strahl, schloss die Augen und ließ sich das heiße Wasser über den Körper laufen. Patrick. War es ein Fehler gewesen, ihn in die Ermittlungen einzubeziehen? Oder war sie übertrieben misstrauisch? Wahrscheinlich sollte sie einfach aufhören, sich Sorgen zu machen, und sich entspannen. Sie musste zugeben, dass sie ihn oberflächlich noch immer attraktiv fand und dass seine Aufmerksamkeit ihr schmeichelte. Es war ja nicht so, als hätte sie jede Menge Auswahl. Und unter seiner Großspurigkeit verbarg sich auch eine ernsthafte, manchmal fast strikte Seite, und er war selten langweilig. Trotzdem war da etwas, das sie abschreckte, auch wenn sie nicht genau sagen konnte, was es war.
Sie wusste nicht viel über ihn, nur dass er Katholik war und nie geheiratet hatte. Bei einem Mann jenseits der Vierzig sagte das schon etwas aus. Einmal hatte er scherzend gesagt, er habe nie geheiratet, weil er noch nicht die richtige Frau getroffen habe. Aber sie wusste, dass das Blödsinn war. Er war so mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass ihm ein anderer Mensch jemals wirklich am Herzen liegen könnte, geschweige denn, dass er sich wirklich fallen ließ und sich verliebte. Ihre Freundin Lottie suchte sich ständig Männer wie ihn aus. Sie hatte oft genug verfolgt, wie Lotties Partnerschaften verliefen, und sich gefragt, warum ihre Freundin, die in anderen Dingen so vernünftig war, in diesem Punkt nicht sehen konnte, was vor ihrer Nase lag. Manche Männer waren wandelnde Katastrophen, und jede Frau, die sich auf so einen einließ, bettelte regelrecht darum, verletzt zu werden. Sie war fest entschlossen, nicht in die gleiche Falle zu tappen. Aber das zu wissen, war eine Sache – körperliche Anziehung konnte auch die vernünftigsten Menschen zu den größten Dummheiten verleiten.
Sie dachte an jene feuchtfröhliche Nacht vor fast einem Jahr zurück, die sie miteinander verbracht hatten. Der Sex war in Ordnung gewesen, rein funktional betrachtet. Aber sie hatte mehr erwartet, mehr Innigkeit, mehr Spannung. Irgendetwas. Das Ganze hatte sich unpersönlich angefühlt, enttäuschend und schal wie abgestandener Champagner. Als wäre es im Grunde nicht um sie gegangen, als hätte sie auch jemand anders sein können. Es ging immer nur um ihn, und sie hatte bereut, dass sie es so weit hatte kommen lassen. Kennedy hatte ihre Gefühle fröhlich ignoriert und sie gefragt, ob sie am folgenden Wochenende mit ihm ausgehen wollte. Sie hatte nein gesagt, was ihn sichtlich überrascht hatte, als hätte er noch nie einen Korb bekommen, und er hatte sie mehrmals angerufen, um sie zum Essen einzuladen. Aber je beharrlicher er geworden war, umso mehr hatte ihr Bauchgefühl ihr geraten, ihm aus dem Weg zu gehen, und sie hatte jeden beruflichen Kontakt mit ihm vermieden, bis er endlich nicht mehr angerufen hatte.
Sie wunderte sich nur, warum er sich nach allem, was zwischen ihnen gelaufen war, noch immer zu ihr hingezogen fühlte. Lag es an ihrer Unabhängigkeit und der Tatsache, dass sie ihm nicht erlegen war? Wahrscheinlich ging es ihm nur darum, sie zu erobern. Für ihn war sie eine unerledigte Aufgabe, eine Herausforderung. Wusste er, bei all seinen psychologischen Kenntnissen über andere, auch über seine eigenen Beweggründe Bescheid? Verfügte er über das geringste Maß an Selbsterkenntnis? Sie bezweifelte es. Eine Beziehung zu einem solchen Mann war zum Scheitern verurteilt. Daran musste sie sich erinnern, wenn sie schwach wurde, sie durfte sich nicht von rein körperlicher Anziehung und Schmeicheleien verführen lassen. Dennoch kam sie sich vor, als würde sie hoch oben auf einem rutschigen Abhang stehen und versuchen, das Gleichgewicht zu halten, weil am Fuße dieses Abhangs alle möglichen unangenehmen und potenziell
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