Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
bis nachher zu warten!«
Erschrocken hielt sie inne, krallte die Fingernägel an die andere Hand. Hoffentlich ahnte er, was in ihr vorging. Sie wartete auf den samtweichen Blick, den er anderen Mädchen immer zuwarf. Er sollte sich bei ihr entschuldigen, beteuern, daß
er keinen Sex von ihr wollte. Daß er sie genau so mochte wie sie ihn und ihr keine Schuld an der Geschichte mit Billy gab.
»So einen Scheiß lass’ ich mir nicht bieten!« Wütend wandte er sich ab und ging wieder auf die Straße hinaus.
Sie bückte sich nach der Blume, als Joanie Bradlow vorbeigeschwebt kam. Joanie hatte sich wochenlang Dallie an den Hals geworfen. Einmal hatte sie im Waschraum von ihm geschwärmt. »Ich weiß ja, daß er sich in schlechter Gesellschaft rumtreibt, aber er sieht so hinreißend aus – unwiderstehlich!«
Wie ein Häuflein Elend stand Holly Grace da. Ein paar Klassenkameraden begrüßten sie, und sie lächelte, als ob sie auf ihren Begleiter wartete. Der alte Cordrock hing wie Blei an ihr, daß sie das hübscheste Mädchen der Oberstufe war, half ihr herzlich wenig. Was nützte das schon, wenn man keine schönen Kleider besaß und die ganze Stadt wußte, daß ihre Mutter Sozialhilfeempfängerin war?
Sie konnte unmöglich hier stehen bleiben, wollte aber auch nicht allein auf die Zuschauertribüne. Und nach Hause gehen konnte sie erst, wenn alle Zuschauer ihre Plätze eingenommen hatten. Als niemand sie beobachtete, schlüpfte sie zum Seitenausgang hinaus und ging zur Turnhalle.
Die Halle lag verlassen da. Alles war schon für den Ball dekoriert. Holly Grace ging hinein. Es roch wie immer, heimelig und vertraut, nach Gymnastik und Basketballspielen, Staub, alten Turnschuhen. Sie liebte Sport über alles. In Leichtathletik zählte sie zu den besten Schülerinnen. Ja, der Sport! Alle trugen dabei die gleiche Kleidung.
Sie schreckte auf, als Dallie plötzlich hinter ihr auftauchte.
»Willst du, daß ich dich nach Hause bringe?« fragte er.
Er ließ die langen Arme steif herunterhängen und sah sehr verbiestert aus. Sie bemerkte, daß ihm die Hose zu kurz war, und fühlte sich sofort etwas besser.
»Möchtest du das?« erwiderte sie.
»Willst du’s?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht ja.«
»Wenn du’s willst, dann sag es!«
Sie blickte betreten zu Boden. »Warum hast du mich gefragt, ob ich mit dir gehe?«
Er antwortete nicht, zuckte nur mit den Achseln.
»Ja, okay«, sagte sie brüsk. »Du kannst mich nach Hause bringen.«
»Warum hast du ja gesagt, als ich dich gefragt hab’?«
Sie zuckte mit den Achseln.
Er sah auf seine Schuhspitzen. Nach einer Pause stieß er kaum hörbar hervor: »Tut mir leid wegen neulich.«
»Was meinst du damit?«
»Das mit Hank und Ritchie.«
»Ach so.«
»Ich weiß, daß du nichts mit den anderen Jungen hast.«
»Nein.«
»Ich weiß, daß es nicht stimmt. Aber du hast mich gereizt.«
Ein kleines Fünkchen Hoffnung flackerte auf. »Schon gut!« meinte sie.
»Nein, es ist nicht gut. Das hätte ich nicht sagen dürfen. Aber du hast mich so wütend gemacht.«
»Ich wollte dich nicht reizen. Aber du hast mir angst gemacht.«
»Wirklich?« Zum ersten Mal an diesem Abend schien er sich zu freuen.
Sie unterdrückte mühsam ein Lächeln. »Bilde dir nicht zuviel darauf ein! So schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
Er mußte auch lächeln.
Eine ganze Weile sahen sie sich stumm an. Die Szene bei Billy fiel ihr wieder ein. Tief bekümmert nahm sie auf einer Bank Platz. »Ich weiß, was du denkst, aber es stimmt nicht. Ich – ich konnte nichts dafür, was da passiert ist mit Billy …«
Er starrte sie ungläubig an. »Aber das weiß ich doch. Dachtest du, daß ich was anderes vermutet habe?«
»Aber du hast so getan, als wäre es ganz einfach, ihn daran zu hindern. Du sagst einfach ein paar Worte zu meiner Mutter, und alles ist vorbei. Aber für mich war es nicht einfach. Ich hatte solche Angst. Er hat mich geschlagen und hätte bestimmt auch meine Mutter verprügelt. Er hat behauptet, mir würde sowieso keiner glauben und meine Mutter würde mich dafür hassen.«
Dallie setzte sich neben sie. Sie sah, daß seine Schuhspitzen angestoßen waren. Ob er es auch so furchtbar fand, arm zu sein? Fühlte er sich auch so hilflos ohne Geld?
Er räusperte sich. »Warum hast du gesagt, ich soll dir die Blume anstecken? Daß ich dich befummeln will? Glaubst du, daß ich so einer bin, weil ich mich neulich vor Hank und Ritchie so benommen habe?«
»Nein.«
»Warum hast du’s
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