Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Grace, meine Kleine«, sagte Winona. Sie saß in ihrem Lehnstuhl im Wohnzimmer. »Hast du mein Kreuzworträtselheft gesehen?«
Holly Grace fischte das Heft aus einem Stapel Zeitungen und setzte sich zu ihrer Mutter, um ihr mit 23 Waagerecht zu helfen. Nicht daß ihre Mutter Hilfe nötig gehabt hätte oder wirklich nicht wußte, wo das Rätselheft geblieben war. Holly Grace nahm es ihr nicht krumm, daß sie Zuwendung suchte. Sie legte Winona den Arm um die Schultern und vergrub das Gesicht in den blonden Locken ihrer Mutter. In der Küche bastelte Ed Graylock, seit drei Jahren Winonas Ehemann, an einem defekten Toaster herum. Das Radio lief, Joe Cocker sang »You Are So Beautiful«, und Ed sang mit ihm um die Wette. Bei den höheren Tönen versagte ihm die Stimme, aber sonst schlug Ed sich tapfer. Holly Grace war gerührt – Ed Graylock hatte Winona endlich glücklich gemacht, so wie sie es verdiente.
Die Kaminuhr schlug sieben. Holly Grace stand auf und küßte Winona auf die Wange. »Falls Dallie aufkreuzt, sag ihm, ich bin schon unterwegs zur High-School! Und wartet bitte nicht auf mich! Ich komme wahrscheinlich spät zurück.« Sie griff nach ihrer Abendtasche und rief Ed im Hinausgehen zu, Dallie käme morgens zum Frühstück.
Die Schule war geschlossen, aber sie hämmerte so lange an die Tür, bis der Hausmeister öffnete. Eine Flut nostalgischer Gefühle rollte über Holly Grace hinweg, als sie die alten, vertrauten Gerüche im Flur wahrnahm. Sie glaubte die alten Hits von 1966 zu hören … Wie damals beim Abschlußball.
Holly Grace hatte nicht mehr als drei Worte mit Dallie Beaudine gewechselt, nachdem er sie in einem Cadillac zum Fußballspiel abgeholt hatte. Sie wußte, daß es nicht sein Wagen sein konnte. Sie wollte ihn fragen, woher er den Cadillac hätte, wollte aber nicht als erste reden.
Sie lehnte sich lässig auf dem luxuriösen Sitz zurück, als ob sie alle Tage das Vergnügen hätte. Es war nicht leicht, die Dame von Welt herauszukehren, da sie überaus nervös war und ihr Magen vor Hunger knurrte.
Am Horizont sahen sie Licht am Nachthimmel. Wynette rühmte sich, als einzige Schule im Bundesstaat ein beleuchtetes Stadion zu besitzen. Von weit her kamen Freitag abends die Zuschauer, um das Fußballspiel von Wynette High zu sehen. Da heute abend das Abschlußfest war und die Mannschaft von Wynette gegen die Champions vom Vorjahr antrat, war die Zuschauermenge noch größer als sonst. Dallie parkte den Cadillac ein paar Straßen vom Stadion entfernt.
Schweigend gingen sie nebeneinander her. Vor dem Eingang fischte Dallie in der Tasche seines nagelneuen dunkelblauen Blazers nach seinen Marlboros. »Möchtest du eine Zigarette?«
»Ich rauche nicht.« Das klang sehr mißbilligend, genau wie bei Miß Chandler. Holly Grace biß sich auf die Zunge. Gern
hätte sie noch einmal von vorn angefangen, etwa so: ›Gern, Dallie! Gibst du mir Feuer?‹
Sie entdeckte Freundinnen in der Menge und nickte einem Jungen zu, dem sie für diesen Abend einen Korb gegeben hatte. Die anderen Mädchen trugen neue Röcke, speziell für diesen Anlaß gekauft, und Pumps mit niedrigen Blockabsätzen, Holly Grace den schwarzen Cordrock, den sie seit Jahren einmal pro Woche anhatte, dazu eine karierte Baumwollbluse. Sie sah auch, daß die anderen Paare Händchen hielten, doch Dallies Hände steckten in den Hosentaschen. Aber nicht mehr lange, dachte sie bitter. Bevor der Tag zu Ende geht, begrapschen mich diese Hände von oben bis unten.
Mit den anderen strömten sie ins Stadion. Warum hatte sie sich darauf eingelassen? Warum hatte sie ja gesagt, obwohl ihr doch klar sein mußte, was er von ihr wollte? Ein Junge mit seinem schlechten Ruf und nach allem, was er mit angesehen hatte.
Dallie fragte widerstrebend: »Willste ’ne Blume?«
»Nein, danke!« Es klang sehr herablassend.
Er blieb so plötzlich stehen, daß der Junge hinter ihm ihn in die Hacken trat. »Denkst wohl, ich kann mir das nicht leisten? Drei Dollar für eine Blume?« Er zog eine abgegriffene braune Brieftasche aus der Hosentasche und knallte eine Fünfdollarnote auf den Tisch. »Die da bitte«, sagte er zur Verkäuferin, »der Rest ist für Sie.« Hastig hielt er Holly Grace die Blüte hin.
In diesem Moment rastete sie aus. Sie schleuderte ihm die Blume vor die Füße und raunte ihm haßerfüllt zu: »Warum steckst du sie mir nicht ans Kleid? Dafür hast du sie doch gekauft, oder? Dann kannst du mich jetzt schon befummeln und brauchst nicht
Weitere Kostenlose Bücher