Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Teddy hatte das Interesse an den Ziegen verloren. Er kratzte sich am Hals und spielte mit dem losen Ende des Gurts herum.
»Hast du dich angeschnallt?« polterte Dallie schon wieder.
»Mmmm.« Teddy ließ den Gurt im Zeitlupentempo einrasten.
»Ja, Sir!« verbesserte ihn Dallie. »Wenn du mit Erwachsenen redest, mußt du mit ›Sir‹ und ›Ma’am‹ antworten. Auch wenn du im Norden lebst, kannst du ein paar gute Manieren zeigen. Kapiert?«
»Mmmm.«
Wütend fuhr Dallie herum.
»Ja, Sir«, murmelte Teddy verbissen. Dann wandte er sich hilfesuchend an Skeet. »Wann seh’ ich denn endlich meine Mama?«
»Es dauert nicht mehr lange«, antwortete Skeet. »Greif doch mal in die Kühlbox, und guck nach, ob noch ’ne Limo für dich drin ist!« Skeet stellte das Radio an, und als Teddy mit der Box beschäftigt war, raunte er Dallie leise zu: »Weißt du eigentlich, daß du ’n Arschloch bist, ja?«
»Halt du dich da raus!« gab Dallie zurück. »Ich weiß gar nicht, warum ich dich gerufen habe. Siehst du denn nicht, was sie mit ihm gemacht hat? Der rennt durch die Gegend und faselt von seinem IQ und seinen Allergien. Und die Sache im Motel, als ich ein bißchen mit ihm Fußball spielen wollte. So ein ungeschicktes Kind ist mir noch nicht untergekommen. Wenn der nicht mal was mit ’nem Fußball anfangen kann, was macht er dann wohl mit einem Golfball?«
Skeet überlegte kurz. »Sport ist auch nicht alles im Leben.«
Dallie senkte die Stimme. »Weiß ich auch. Aber das Kind ist komisch. Man weiß nicht, was hinter den Brillengläsern vorgeht. Außerdem zieht er sich die Hose bis unter die Achselhöhlen. Das ist doch nicht normal, oder?«
»Hat wahrscheinlich Angst, daß sie rutschen. Seine Hüften sind kaum breiter als dein Oberschenkel.«
»Ja? Das ist auch so ’ne Sache. Er ist so schmächtig. Weißt du noch, wie groß Danny war? Von Anfang an?«
»Dannys Mama ist auch viel größer als Teddys.«
Dallies Miene verdüsterte sich, also sagte Skeet nichts mehr.
Auf dem Rücksitz spielte Teddy inzwischen mit der Limonadendose.
Er kratzte sich den Ausschlag unter dem T-Shirt. Er konnte zwar nicht verstehen, was vorn geredet wurde, merkte aber, daß es um ihn ging. Doch das war ihm schnuppe. Skeet war okay, aber Dallie war ein Blödmann. Ein richtiger Armleuchter.
Teddy spürte einen dicken Kloß im Hals, als wenn er eine dicke, schleimige grüne Kröte verschluckt hätte. Seit gestern machte er sich nichts mehr vor. Irgendwas stimmte nicht. Er glaubte nicht, daß seine Mutter Dallie geschickt hatte, um ihn abzuholen. Vielleicht hatte Dallie ihn entführt; er versuchte, seine Angst zu verdrängen. Aber er spürte, daß etwas faul war, und wollte zu seiner Mutter.
Die Kröte in seinem Hals wurde immer dicker. Auf keinen Fall wollte er wie ein kleines dummes Baby in Tränen ausbrechen. Vorsichtig linste er nach vorn. Dallie konzentrierte sich jetzt völlig aufs Fahren. Teddy schnallte sich lautlos ab. Der Große Rächer nahm von keinem Armleuchter Befehle entgegen.
Francesca träumte von Teddys Biologie-Projekt. Sie saß gefangen in einem Glaskäfig, und lauter Käfer krabbelten auf ihr herum. Irgendwer versuchte die Tiere mit einer riesigen Nadel aufzuspießen. Sie war als nächste an der Reihe. Und dann sah sie Teddys Gesicht auf der anderen Seite der Glasscheibe. Er rief ihr etwas zu, sie bemühte sich, zu ihm zu gelangen …
»Mom! Mom!«
Sie wurde jäh aus dem Schlaf gerissen. Langsam kam sie zu sich. »Teddy? Oh, Teddy!« Sie zog den kleinen Körper an sich und lachte und weinte gleichzeitig. »Oh, mein Baby …« Sein Haar fühlte sich kühl an, als ob er gerade von draußen gekommen sei. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und überschüttete es mit Küssen. Wie gut es tat, seine kleinen Arme um ihren Hals zu spüren! Und wie er sich an sie schmiegte, wie
vertraut er roch! Am liebsten hätte sie ihm die Wangen geleckt, wie eine Katze es mit ihren Jungen macht.
Sie sah Dallie in der Tür stehen, nahm aber vor lauter Freude über ihr Kind keine Notiz von ihm. Teddy faßte ihr ins Haar und vergrub den Kopf in ihrem Nacken. »Ist ja gut, Baby«, flüsterte sie begütigend, als sie spürte, wie er zitterte. »Jetzt ist alles wieder gut.«
Als sie aufsah, traf sie Dallies Blick. Er wirkte so traurig und allein, daß sie am liebsten einem verrückten Impuls nachgegeben und ihn zu sich ans Bett gewinkt hätte. Er machte auf dem Absatz kehrt, und sie schämte sich. Aber dann vergaß sie ihn
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