Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
ausgeheckt hast.«
»Ich habe gar nichts ausgeheckt. Und erst recht nichts Teuflisches. Jeder muß das tun, was er für richtig hält. Du weißt doch, wie ich damals war. Wenn ich zu dir gerannt wäre, hätte ich jede Chance verpaßt, erwachsen zu werden.«
»Du hattest kein Recht, diese Entscheidung allein zu treffen.« Seine Augen sprühten vor Zorn. »Und komm mir jetzt bloß nicht mit dem feministischen Scheißdreck, ich hätte keine Rechte, weil ich ein Mann bin, und daß dein Bauch dir gehört. Ich war auch daran beteiligt. Möchte mal wissen, wie du ohne meine Mitwirkung den Jungen bekommen hättest!«
Sie ging zum Angriff über. »Und was hättest du getan, wenn ich dir vor zehn Jahren gesagt hätte, daß ich schwanger war? Du warst doch verheiratet.«
»Verheiratet oder nicht, ich hätte mich um dich gekümmert.«
»Das ist genau der Punkt. Ich wollte nicht, daß du dich um mich kümmerst. Ich hatte nichts, Dallie. Ich war ein dummes kleines Mädchen und dachte, die Welt wäre mein Spielzeug. Ich mußte arbeiten lernen. Ich mußte Toiletten schrubben und mir mühsam mein Essen verdienen. Ich mußte meinen ganzen Stolz verlieren, bevor ich meine Selbstachtung finden konnte. Und für ein Almosen von dir hätte ich das aufgeben sollen? Ich mußte den Jungen allein bekommen. Anders hätte ich mich nicht bewähren können.« Da seine Miene unbewegt
blieb, ärgerte sie sich über ihren Versuch, sein Verständnis zu gewinnen. »Ich will Teddy noch heute abend zurückhaben, Dallie. Oder ich gehe zur Polizei.«
»Das hättest du ja längst tun können, wenn es wirklich deine Absicht wäre.«
»Ich habe gewartet, weil ich ihn nicht in den Schlagzeilen haben wollte. Aber jetzt hält mich nichts mehr zurück, das darfst du mir glauben. Unterschätz mich nicht, Dallie! Denk nicht, ich bin das kleine Mädchen, das du vor zehn Jahren gekannt hast!«
Dallie schwieg. Dann wandte er das Gesicht ab und starrte in die dunkle Nacht. »Die andere Frau, die ich geschlagen hab’, war Holly Grace.«
»Dallie, ich will nichts davon hören –«
Ganz plötzlich packte er sie am Arm. »O doch, du hörst mir jetzt zu, denn du sollst wissen, mit was für einem Mistkerl du es zu tun hast. Ich habe Holly Grace grün und blau geschlagen, nachdem Danny gestorben war – so einer bin ich. Und weißt du auch, warum?«
»Ich will nichts –« Sie versuchte sich loszureißen, aber er drückte ihren Arm noch fester.
»Weil sie geweint hat! Darum hab’ ich sie geschlagen. Ich habe eine Frau geschlagen, die um ihr totes Baby geweint hat! Kannst du dir jetzt ein Bild davon machen, was dir blüht?«
Er bluffte nur. Sie wußte es. Sie spürte es. Er fühlte sich zutiefst verletzt und wollte sie dafür bestrafen. Wahrscheinlich wollte er sie schlagen – aber er würde es nicht über sich bringen.
Sie konnte seinen tiefen Schmerz sogar nachvollziehen.
Dallie hatte ihren Sohn, aber er würde ihn nicht lange behalten können. Er wollte sie schlagen, aber es war gegen seine Natur, also mußte er versuchen, sie auf andere Art und Weise zu bestrafen. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Dallie war klug, wenn er lange genug nachdachte, würde ihm einfallen,
wie er sich rächen könnte. Sie mußte ihn daran hindern, in seinem, in ihrem eigenen und in Teddys Interesse.
»Vor langer Zeit habe ich gelernt, daß Menschen, die viel besitzen, so viel Energie aufwenden, ihre Habe zu schützen, daß sie den Blick dafür verlieren, was im Leben wirklich zählt. Ich habe Karriere gemacht, Dallie – ein siebenstelliges Bankkonto, Wertpapiere, ein Haus und wunderschöne Kleider. Meine Ohrstecker sind vierkarätige Diamanten. Aber ich vergesse nicht, was am wichtigsten ist.« Sie nahm sich die Diamanten aus den Ohrläppchen und hielt sie ihm hin.
Zum ersten Mal schien er verunsichert. »Was soll das? Ich will sie nicht. Ich verlange kein Lösegeld, zum Teufel noch mal!«
»Das weiß ich.« Sie ließ die Diamanten auf der flachen Hand hin und her gleiten, daß sie im Scheinwerferlicht aufblitzten. »Ich bin nicht mehr deine Tussipussy, Dallie. Du sollst nur begreifen, wie weit ich gehe, um meinen Sohn zurückzubekommen. Du sollst wissen, mit wem du es zu tun hast.« Ihre Hand schloß sich um die Diamanten. »Mein Sohn ist das Wichtigste in meinem Leben. Alles andere ist Dreck.«
Und dann war Black Jacks Tochter wieder am Zug. Mit einem kraftvollen Schwung schleuderte sie die Vierkarat-Diamanten in die dunkle Nacht.
Dallie sagte lange Zeit nichts.
Weitere Kostenlose Bücher