Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
ihr einen vergilbten Umschlag überreicht, in dem ihr Paß und vierhundert Dollar lagen. Da sie schon vor langer Zeit Holly Grace das Geld für Dallie gegeben hatte, lud sie Gerry, Holly Grace und Naomi zu einem Abend in der Stadt ein.
Als Gerry sie am Abend abholte, trug er seine lederne Bomberjacke, dazu dunkelbraune Hosen und einen cremefarbenen Pullover. Er umarmte sie überschwenglich, gab ihr einen freundschaftlichen Kuß, seine dunklen Augen sprühten Funken. »Hey, meine Schöne! Warum konnte ich mich nicht in dich verlieben?«
»Weil du zu klug bist, um dich mit mir einzulassen«, gab sie lachend zurück.
»Wo ist Teddy?«
»Er hat Doralee und Miss Sybil bequatscht, mit ihm ins Kino zu gehen.«
»Und wie geht es dir? Das nimmt dich wohl alles sehr mit?«
»Ich habe schon schönere Zeiten verlebt«, räumte sie ein. Bisher sah nur das Problem mit Doralee einer Lösung entgegen. Miss Sybil hatte darauf bestanden, sie selbst zum Jugendamt zu bringen, und hatte Francesca unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie Doralee bei sich behalten würde, bis eine Pflegefamilie für sie gefunden wäre.
»Ich hab’ mich heute nachmittag ein bißchen mit Dallie unterhalten«, sagte Gerry.
»Ja?« Francesca war ehrlich überrascht. Es war schwer, sich die beiden zusammen vorzustellen.
»Ich habe mit Paragraphen gewedelt und ihm angedroht, daß ich ihm die ganze amerikanische Justiz auf den Hals hetze, wenn er so was noch einmal versucht.«
»Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er darauf reagiert hat«, erwiderte sie trocken.
»Dir zuliebe verschone ich dich mit Einzelheiten.« Sie gingen auf Gerrys Mietwagen zu. »Weißt du, es war schon irgendwie komisch. Nachdem wir uns alle nur denkbaren Beleidigungen an den Kopf geworfen hatten, war mir der Mistkerl beinahe sympathisch. Ich finde es furchtbar, daß er mit Holly Grace verheiratet war und die beiden sich immer noch so mögen, aber trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, ich hätte den Typen schon immer gekannt. Echt komisch, was?«
»Du hast dich nur deshalb in seiner Gegenwart so wohl gefühlt, weil er Holly Grace so ähnlich ist. Wenn du einen von beiden magst, ist es schwer, nicht auch den anderen gern zu haben.«
Sie aßen in einem gemütlichen Restaurant, und noch bevor der Hauptgang serviert wurde, waren sie schon wieder bei ihrem Lieblingsstreit: warum Francesca ihn nicht in ihrer Show haben wollte.
»Nur ein einziges Mal, bitte, bitte!«
»Vergiß es! Ich kenn’ dich doch. Du würdest behaupten, daß russische Raketen nach Nebraska unterwegs seien, oder dich als unglückliches Strahlenopfer darstellen.«
»Na und? Millionen selbstzufriedener Androiden sehen sich deine Show an und kapieren nicht, daß wir auf einem Pulverfaß leben. Solche Menschen muß ich aufrütteln.«
»Aber nicht in meiner Sendung«, beharrte sie. »Ich manipuliere meine Zuschauer nicht.«
»Francesca, es geht heute nicht mehr um solche kleinen Knallkörper wie den von Nagasaki oder den von Hiroshima. Wenn zwanzig Megatonnen auf New York City fallen, ist alles zu spät. Der Fallout bedeckt eine Fläche von mehr als tausend
Quadratmetern, und acht Millionen verglühte Leichen faulen in der Gosse.«
»Ich möchte gern essen, Gerry«, protestierte sie. Angeekelt legte sie die Gabel wieder hin.
Gerry war sein eigenes Horror-Szenario vom Atomkrieg so geläufig, daß er dabei mühelos ein Essen mit fünf Gängen verputzen konnte. Mit unvermindertem Appetit stach er in seine gebackene Kartoffel. »Weißt du, welche Spezies als einzige überlebt? Die Käfer. Die sind dann zwar blind, aber fortpflanzen können sie sich immer noch.«
»Gerry, ich liebe dich wie einen Bruder, aber aus meiner Show machst du keine Zirkusvorstellung.« Bevor er sich weiter auf das Thema einschießen konnte, wechselte sie rasch das Thema. »Hast du heute mit Holly Grace gesprochen?«
Er legte die Gabel hin und schüttelte den Kopf. »Ich bin zum Haus ihrer Mutter gegangen, aber sie ist zur Hintertür rausgeschlüpft, als sie mich kommen gesehen hat.« Er schob seinen Teller weg und nahm einen Schluck Wasser.
Er sah so elend aus, Francesca wußte nicht, ob sie ihn trösten oder ihm die knallharte Wahrheit ins Gesicht sagen sollte. Ganz offensichtlich liebten sich Gerry und Holly Grace, warum kaschierten sie ihre Probleme mit vorgeschobenen Unstimmigkeiten? Auch wenn Holly Grace es nicht ausdrücklich gesagt hatte, Francesca wußte, daß sie sich sehnlichst ein Kind wünschte. Und Gerry
Weitere Kostenlose Bücher