Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
aufgebaut hatte, brach endlich aus ihr heraus. Noch nie hatte sie so eine furchtbare Angst ausgestanden, sie wußte nicht damit umzugehen, also suchte sie sich ein vertrautes Ventil: rasende Wut. So sollte niemand sie behandeln! Niemand! Der sollte sie kennenlernen, das sollte er ihr büßen.
Sie rannte mit dem Koffer gegen seine Tür, trat dagegen, fluchte und zog eine Schau ab, die ihresgleichen suchte.
Dallie riß die Tür auf und warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Du Bastard!« Sie rannte an ihm vorbei in sein Zimmer.
Den Koffer schleuderte sie mit voller Wucht in den Fernseher, das zersplitternde Glas erfüllte sie mit tiefer Befriedigung. »Du abgefuckter, hirnverbrannter Bastard, du!« Sie stieß einen Stuhl um. »Du rücksichtsloses, blödes Arschloch!«
Und dann flippte sie völlig aus.
Schrille Verwünschungen ausstoßend, schleuderte sie Aschenbecher und Kissen durch das Zimmer, warf Lampen um, riß die Schubladen heraus. Alles, was sie in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte erleiden müssen, kam jetzt an die Oberfläche – die rosa Krinoline, der »Blue Choctaw«, der pfirsichfarbene Lidschatten … Sie rächte sich an Chloe, weil sie gestorben war, an Nicky, weil er sie verlassen hatte; an Lew Steiner, Lloyd Byron, Miranda Gwynwyck, und natürlich an Dallie Beaudine in vorderster Linie. Dallie, der schönste Mann, dem sie je begegnet war, der einzige Mann, den sie nicht interessierte, der einzige, der ihr die Tür vor der Nase zuschlug.
Dallie sah dem Treiben eine Weile zu, die Hände in die Hüften gestemmt. Eine Tube Rasiercreme flog an seinem Kopf vorbei und landete auf dem Spiegel. »Unglaublich«, murmelte er fassungslos. Er streckte den Kopf zur Tür hinaus. »Skeet! Komm mal rüber! Das mußt du sehen.«
Skeet war schon unterwegs. »Was ist denn hier los? Hört sich an wie …« Er blieb wie angewurzelt in der offenen Tür stehen, als er Zeuge der Zerstörung wurde. »Warum tut sie das?«
»Keine Ahnung, verdammt noch mal!« Dallie duckte sich vor dem heranfliegenden Telefonbuch. »So was hab’ ich noch nie erlebt.«
»Denkt die vielleicht, sie ist ’n Rockstar? Hey, Dallie! Jetzt vergreift sie sich an deinem Holz Nummer drei!«
In zwei Sätzen war Dallie neben ihr.
Francesca fühlte sich hochgehoben. Er warf sie sich über die Schulter. »Laß mich runter, laß mich runter, du Bastard!«
»Kommt nicht in Frage. Das war mein bestes Holz Nr. 3.«
Er trug die kreischende Francesca hinaus, seine Schulter
drückte hart in ihren Bauch, sein Arm hielt ihre Kniekehlen fest umklammert. Überall gingen Türen auf, Menschen in Bademänteln streckten die Köpfe heraus.
»Sie hat solche Angst vor Mäusen!« rief Dallie ihnen zu.
Sie trommelte mit den Fäusten auf seinen bloßen Rücken. »Ich laß dich einsperren!« schrie sie. »Ich bring’ dich vor Gericht! Das sollst du mir bezahlen …« Er steuerte um die Ecke. Sie sah einen schmiedeeisernen Zaun, ein Tor, Unterwasserbeleuchtung –
»Nein!« Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus, als er sie in den Swimmingpool plumpsen ließ, und zwar da, wo er am tiefsten war.
10
Skeet trat neben Dallie. Die beiden Männer standen am Beckenrand und beobachteten Francesca. Schließlich bemerkte Skeet: »Besonders schnell kommt die nicht hoch.«
Dallie steckte einen Daumen in die Hosentasche. »Kann wohl nicht schwimmen. Hätt’ ich mir denken können.«
Skeet fragte weiter: »Hast du mitgekriegt, wie komisch sie das Wort ›Bastard‹ sagt? Wie ›Baaastöddd‹. Kann ich gar nicht richtig nachmachen. Saukomisch.«
»Ja. Mit diesem komischen Akzent kann sie einem die schönsten amerikanischen Schimpfwörter verderben.«
Das Zappeln und Plätschern im Pool ließ etwas nach. »Springst du rein und rettest sie in den nächsten hundert Jahren oder so?«
»Muß ich wohl. Oder willst du dich opfern?«
»Nee, ich geh’ ins Bett.«
Skeet trollte sich, Dallie setzte sich und zog die Stiefel aus. Er ließ sie noch eine Weile zappeln, dann sprang er ins Wasser.
Francesca war gerade klargeworden, wie sehr sie doch am Leben hing. Auch wenn sie arm wie eine Kirchenmaus und der Film ein Reinfall gewesen war, zum Sterben fühlte sie sich noch zu jung. Ihre Lungen brannten wie Feuer, und die Glieder gehorchten ihr nicht mehr. Es war soweit: Sie mußte sterben, ohne richtig gelebt zu haben.
Da fühlte sie sich plötzlich an die Oberfläche gezogen. Ihr Kopf tauchte auf, sie rang verzweifelt nach Luft und klammerte sich an Dallies
Weitere Kostenlose Bücher