Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Handumdrehen wieder in London.«
Sie antwortete ihm nicht, er sah sie unsicher an. Zum ersten Mal tat sie ihm leid. Sie war ja ein hübsches kleines Ding, solange sie nicht den Mund aufmachte, und sie machte einen tief verletzten Eindruck. »Hör mal, Francie, du hättest dich nicht so aufregen müssen wegen Holly Grace. Dallie und Holly Grace gehören nun mal zusammen wie Bier und Fußball. Aber sie mischen sich gegenseitig nicht in ihre Bettgeschichten ein. Wenn du Dallie nicht bis aufs Blut gereizt hättest, könntest du jetzt noch eine Weile bei ihm bleiben.«
Francesca zuckte zusammen. Hielt er sie etwa für einen von Dallies streunenden Hunden? Um die er sich eine Weile kümmerte? So tief war sie also gesunken.
Ein paar Minuten später hielten sie an der Tankstelle. »Bleib sitzen, ich bin gleich wieder da!«
Francesca wartete, bis Skeet verschwunden war, dann schlüpfte sie aus dem Ford und rannte los. Sie rannte auf der
Fahrbahn, wich den Scheinwerfern der Autos aus, rannte, als ob sie vor sich selbst davonlaufen wollte. Als sie Seitenstiche bekam, wurde sie etwas langsamer, lief aber immer weiter.
Stundenlang wanderte sie in den verlassenen Straßen von Wynette herum, ziellos und blind. Zwischen den geschlossenen Läden und nachtstillen Häusern spürte sie, wie der letzte Rest von ihrem alten Selbst dahin war, ihr Optimismus hatte sie endgültig im Stich gelassen. Bei allen Schwierigkeiten, in die sie seit Chloes Tod geraten war, hatte sie immer geglaubt, das wäre nur vorübergehend. Jetzt wußte sie, daß sie mittendrin steckte. Auf der Straße lagen die Überreste einer Halloween-Laterne, sie rutschte auf dem gelben Fruchtfleisch aus und schlug hin. Der Kürbissaft vermischte sich mit dem angetrockneten Blut ihrer Schrammen. Sie war nicht die Frau, die von einem Mann verlassen wurde – sie war diejenige, die eine Beziehung beendete. Tränen rannen ihr übers Gesicht. Womit hatte sie das verdient? War sie denn so schlecht? Hatte sie irgendeinem Menschen etwas Böses getan, daß sie dafür bestraft wurde?
Sie wußte nicht, was sie tun sollte, also blieb sie im Dreck liegen und weinte. Alles, was sie sich erträumt hatte, hatte sich in Nichts aufgelöst. Dallie liebte sie nicht. Er würde sie nicht heiraten. Sie würden nicht zusammen glücklich sein.
Nach einiger Zeit stand sie auf und lief automatisch weiter. Und dann merkte sie plötzlich, daß sie vor Dallies kunterbuntem Haus stand.
Holly Grace brachte den Wagen zum Stehen und schaltete den Motor ab. Es war fast drei Uhr morgens. Dallie fläzte sich auf dem Beifahrersitz. Er hielt die Augen geschlossen, sie glaubte aber nicht, daß er schlief. Sie stieg aus und ging zur Beifahrertür. Sie öffnete sie ganz vorsichtig, damit er nicht rausfiel. Er rührte sich nicht.
»Los, mein Schatz, jetzt geht’s in die Heia«, sagte sie und zog ihn am Arm.
Dallie murmelte etwas Unverständliches und setzte ein Bein auf den Boden.
»So ist’s richtig«, ermutigte sie ihn. »Nur weiter so!«
Er stand auf und legte den Arm um ihre Schultern, wie er es so oft getan hatte. Und sie ließ es sich gefallen, war Dallie doch trotz allem immer noch der Mensch, den sie beinahe am meisten liebte. Beinahe, denn sie hatte gelernt, sich selbst am meisten zu lieben, das hatte sie von Dallie gelernt. Er hatte ihr viele gute Lektionen erteilt, aus denen er für sich selbst nie Nutzen ziehen würde.
Plötzlich zog er seinen Arm zurück und ging auf das Haus zu. Er schwankte nur ganz leicht, obwohl er doch reichlich getrunken hatte. Holly Grace sah ihm nach. Sechs Jahre waren vergangen, aber er wollte Danny nicht loslassen.
Er ließ sich auf die oberste Stufe der Verandatreppe fallen. »Fahr weiter zu deiner Mutter«, sagte er ganz ruhig.
»Ich bleibe hier, Dallie.« Sie kam zu ihm herauf und warf ihren Hut auf die Veranda.
»Los, geh jetzt, ich komm’ morgen zu dir.«
Er sprach sehr prononciert, ein Zeichen dafür, daß er wirklich sehr betrunken war. Sie setzte sich neben ihn und beschloß, eine Aussprache zu erzwingen. »Weißt du, woran ich heute denken mußte?« fragte sie ihn. »Ich hab’ dran gedacht, wie du Danny auf den Schultern getragen hast und wie er sich an deinen Haaren festgehalten und gejuchzt hat. Und manchmal hatte er eine nasse Windel, und wenn du ihn abgesetzt hast, war ein Flecken auf deinem Hemd. Ich fand das immer zum Schießen – mein hübscher junger Ehemann läuft in einem bepinkelten T-Shirt rum.« Dallie antwortete nicht. Sie
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