Komm und küss mich!: Roman (German Edition)
Tanzschritt auszusetzen, trank er und setzte ihr dann die Flasche an die Lippen.
»Ich will nicht …« Sie hatte sich verschluckt. Den Rest trank er selbst in einem Zug leer.
Der Schweiß rann ihr in Strömen übers Gesicht, Bier tropfte ihr vom Kinn. »Ich gehe. Ich verschwinde für immer aus deinem Leben, wenn du mich jetzt nicht in Ruhe läßt.«
Er hatte gar keine Notiz von ihr genommen, sondern ihre nassen Hände gedrückt und sie fest an sich gepreßt.
»Ich will mich setzen!« hatte sie verlangt.
»Mir ist ganz egal, was du willst.« Seine Hände waren bis zu den Achselhöhlen hinaufgeglitten, wo sich dunkle Flecken auf ihrer Bluse abzeichneten.
»Bitte, Dallie!« hatte sie entsetzt gerufen.
»Halt deinen Mund, und beweg die Füße!«
Vergebens hatte sie gebeten und gebettelt. Der Lippenstift war völlig verschwunden, ihre Achseln waren ein öffentliches Ärgernis, sie war den Tränen nahe.
Und in dem Augenblick war Dallie plötzlich mitten auf der Tanzfläche stehengeblieben. Er hatte auf sie herabgesehen, den Kopf über sie gebeugt und sie mitten auf den Biermund geküßt. »Du bist verdammt hübsch«, hatte er dabei gemurmelt.
Diese zärtlichen Worte kamen ihr wieder in den Sinn, als er sie jetzt so unsanft zur Jukebox zerrte. Nach drei Wochen mühevollem Herumexperimentieren mit billigem Make-up war es ihr nur einmal gelungen, ein Kompliment von ihm zu erhaschen – ausgerechnet in dem Moment, wo sie ganz furchtbar aussah.
Auf dem Weg zur Jukebox rempelte er zwei Männer an,
ohne sich zu entschuldigen. Was war bloß los? Warum benahm er sich so komisch? Die Musiker machten gerade Pause, und Dallie fischte in seiner Jeanstasche nach einer Münze.
»Du mußt ihn dran hindern, Francie!« rief Curtis Molloy.
Sie lächelte ihn schelmisch an. »Aber er ist größer als ich. Und wenn ich was anderes will als er, kriegt er die Platze.«
Wie vermutet, brachte der saloppe Jargon in Kombination mit ihrem affektierten englischen Akzent alle zum Lachen.
Dallie drückte wieder einmal die beiden Tasten, die er den ganzen Abend gewählt hatte, sobald die Musiker eine Pause einlegten, und stellte die Bierflasche auf der Jukebox ab. »Curtis quatscht sonst keine Opern. Du hast ihn richtig auf Touren gebracht. Und sogar die Frauen mögen dich schon.« Das klang eher mißmutig als erfreut.
Sie ignorierte seine schlechte Laune, als das Lied anfing. »Und du? Magst du mich auch?«
Er bewegte seinen athletischen Körper zu den ersten Takten von »Born to Run« von Bruce Springsteen genauso anmutig wie beim texanischen Two-Step. »Natürlich«, knurrte er, »glaubst du etwa, ich würd’ immer noch mit dir schlafen, wenn ich dich nicht viel netter fände als am Anfang? Verdammt, ich liebe diesen Song.«
Etwas romantischer hätte diese Erklärung schon ausfallen können, aber bei Dallie mußte sie sich mit dem zufriedengeben, was sie kriegen konnte. Seine Begeisterung für diesen Song konnte sie nicht teilen. Sie verstand den Text nicht ganz, vermutete aber, daß Dallie die Stelle über das Ausreißen besonders daran gefiel. Das vertrug sich nicht ganz mit ihren Vorstellungen von einem glücklichen Familienleben, also hörte sie lieber nicht so genau hin und konzentrierte sich mehr auf die Musik. Sie sahen sich tief in die Augen, eine unsichtbare Macht schien sie von der Welt abzuschirmen, aber dann meldete sich wieder ein flaues Gefühl im Magen, und der Zauber war gebrochen.
Sie konnte ja gar nicht schwanger sein. Ihr Arzt hatte ausdrücklich
gesagt, daß sie vor der nächsten Blutung nicht empfangen könnte. Trotzdem hatte ihr ihre ständige Übelkeit in der letzten Zeit doch Angst eingejagt. Darum hatte sie sich in der Bibliothek eine Broschüre über Familienplanung durchgelesen. Zu ihrem nicht gelinden Schrecken hatte da das genaue Gegenteil gestanden. In Panik zählte sie die Tage seit ihrer ersten Liebesnacht. Es war fast genau einen Monat her.
Sie fühlte seine Hand auf ihrem Rücken, fühlte sich beschützt von dem Mann, der sie liebte. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, schwanger zu sein, dachte sie, als sie wieder am Tisch Platz nahmen. Dallie war nicht der Typ, der auf einer Abtreibung bestehen würde. Auch wenn sie sich eigentlich kein Baby wünschte, alles hatte seinen Preis, das wußte sie jetzt. Vielleicht würde sie ihn mit einer Schwangerschaft an sich binden, dann wäre alles wunderbar. Sie würde ihm das übermäßige Trinken abgewöhnen und ihn ehrgeiziger machen. Er würde in
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