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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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orangefarbenen Kreisen füllten.
    Die Rückfahrt auf der Schotterpiste war luftig-frisch. Sie stellte sich ein plapperndes Kleinkind hinter sich in einem Kindersitzvor, das ständig fragte: »Was ist das? Was ist das?« Der Gedanke, die Möglichkeit, dass dies geschehen könnte, machte sie weich, als hätte jemand eine sprudelnde Flüssigkeit in ihre Adern geschüttet. Sie erinnerte sich an einen Song, nur an die Aussage, nicht an das Lied selbst, den ein Mann damals in den Siebzigern über seine Tochter geschrieben hatte. Annie fiel nicht ein, was das war. »Ich habe einen Song in meinem Kopf verloren«, sagte sie immer zu Owen, wenn sie ins Haus stürmte und ihm erzählte, was sie von dem Song wusste, den sie suchte, und er würde genau wissen, an welchen sie dachte, und das wäre genau der richtige Weg, um ihm die Neuigkeit zu überbringen.
    Doch Owens Truck stand nicht in der Auffahrt. Und als sie die Haustür öffnete, registrierte ihr Körper Lücken im Zimmer, bevor ihr Geist dahinterkam. Es war Juni, aber in ihren Knochen breitete sich Eiseskälte aus. Auf den Regalen fehlten Sachen. Owens Gitarre und der Notenständer waren nicht mehr am Fenster. Ihre schon, und die waren war viel mehr wert als Owens. Bücher fehlten auf den Regalen. Diebe stahlen keine Bücher. Die gerahmten Fotos von Owen als Kind waren verschwunden. Eine alte Zigarrenkiste, in der er Belege sammelte, stand nicht mehr auf dem Kaminsims. Stattdessen lag da jetzt eine Nachricht, die von dem Tamburin beschwert wurde. Es war ein Blatt von ihrem eigenen Briefpapier, als hätte sie an sich selbst geschrieben.
    Sie starrte vom anderen Ende des Zimmers aus auf das Papier. Wie lange hatte er für all das gebraucht? Um seine Sachen zu packen und das zu schreiben? Er musste das Tage, Wochen, Monate geplant haben. Sie ließ die Einkäufe auf den Fußboden fallen und blieb stehen, während alles aus der Papiertüte purzelte. Detour kroch heran und leckte die feuchte Klarsichtfolie der Fleischverpackung.
    Langsam bewegte sie sich – oder schwebte sie? – auf den Brief zu. Oder beamte sie sich dorthin? Im Nachhinein wusste sie nicht mehr, wie sie dort hingekommen war, erinnerte sich nur an das Klappern des Tamburins, als es zu Boden fiel.
    Meine liebe, liebe Annie,
dies ist das Schlimmste, was ich je in meinem Leben getan habe. Sei versichert, dass mir das leidtut, solange ich lebe, obwohl ich das nicht als eine Art Wiedergutmachung meine. Ich weiß, für so etwas gibt es keine Sühne. Ich schwöre, ich hätte nie gedacht, dass ich je so etwas tun würde, ich habe mir nie vorgestellt, dass unser Zusammenleben so enden würde, aber so ist es, und das ist der Teil, von dem ich nicht behaupten kann, dass ich ihn verstehe, wie ein Mann es tun sollte, der beschlossen hat zu gehen und so etwas zu tun. Ich habe mich mit einer anderen eingelassen. Ich habe einen großen Fehler gemacht, und es sieht leider so aus, dass Weggehen das Einzige zu sein scheint, um es wiedergutzumachen. »Es tut mir leid« bedeutet hier vermutlich nichts. Aber Himmelherrgott noch mal, es tut mir wirklich von Herzen leid. Und ich weiß, dass es gar keinen Sinn ergibt, es hilft niemandem zu schreiben, dass ich dich ewig lieben werde, aber es scheint nur fair, diese Wahrheit festzuhalten angesichts so vieler Lügen.
    Für immer
    Dein Owen
    Dies war die ganze Erklärung, die er lieferte. Worte, die er in aller Eile zusammengestoppelt hatte.
    Was sie empfand, war ein dumpfer Schock. Eigentlich ein Blackout. Und danach: das Baby! Was war mit dem Baby?
    Als sie endlich daran dachte, den Test zu machen, hatte sie eine halbe Stunde geweint. Sie hatte den Brief immer wieder gelesen und ihn am Ende in der Spüle verbrannt.
    Ihr Geist blieb cool und distanziert, als sich die Zeilen rosa verfärbten. Sie wanderte durch die Zimmer im Haus und dachte daran, wie es war, ein Kind allein aufzuziehen. Sie betrat jeden Raum, stellte sich das Baby in der Wanne vor, am Küchentisch, in dem Zimmerchen, das sich so gut als Kinderzimmer eignete. In ihrer Vorstellung hatte das Baby welliges kastanienbraunes Haar,genau wie Owen. Tatsächlich sah das Baby genau wie er aus, und hier begannen sich ihre Gedanken zu drehen, und die Distanz, die ihr Geist ihr gewährt hatte, verringerte sich so sehr, bis sie sich wie ein Kissen auf ihrem Gesicht anfühlten. Ihre Tage würden mit einem Kind beginnen und enden, das sie immer an den Tag erinnerte, den sie jetzt durchlebte. Ein Kind verdiente so eine Last nicht.

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