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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
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Kinder spüren Dinge. So wie sie gespürt hatte, dass mit ihrem Vater irgendetwas nicht stimmte. Die Art, wie sie die Wahrheit über Onkel Calder gespürt hatte.
    Calder ging nicht an sein Handy. Sie stieg wieder in ihren Wagen und suchte ihn und Owen überall. Niemand hatte den einen oder den anderen gesehen oder gehört. Erst am Abend fand sie Calder, der sich an der Theke im
Hal’s
fläzte. »Ich muss mit dir reden«, sagte sie, ihre Hände zitterten wie ihre Stimme. Er fixierte sie. Er nahm ihre Hand, und sie wich zurück. »Du willst gar nicht wissen, wie jung sie ist«, lallte er, eher an sich selbst gerichtet.
    Wieder zu Hause, taumelte sie durch einen Nebel zwischen Schlafen und Wachen, fast vierundzwanzig Stunden lang, sie aß kaum etwas. Als das Telefon klingelte, prüfte sie die Nummer, nahm aber nicht ab. Owen war das bestimmt nicht. Calder auch nicht. Sie dachte die ganze Zeit, dass ihr irgendetwas einfallen würde. Irgendeine Erklärung, ein fester Plan, an den sie sich hätte halten können. Sie nahm ihre Gitarre zur Hand, aber sie stellte fest, dass sie nicht singen konnte. Sie konnte den Klang von Mollakkorden nicht ertragen. Sie wurde schwächer und kränker.
    Zwei Tage später, nur Stunden, bevor Calder auftauchte, um seinen Bobcat-Lader aus ihrem Garten zu holen, wurde sie von einer heftigen Übelkeit überrollt. Ein dumpfer Schmerz saß ihr im Kreuz. Ihr war schwindelig und heiß. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen. Erst als ihr etwas Nasses zwischen den Beinen herunterlief, verstand sie, was los war.
    Im Flur fuhr sie mit den Fingern an den lächelnden Fotos von Owen entlang. Er verhöhnte ihre unsicheren Schritte ins Bad, wo immer noch ein Hauch seines Aftershaves hing, im Duschvorhang, in der Badematte, überall.
    Stevie Wonder. Es war Stevie Wonders »
Isn’t she lovely?
« Der Song, den er in den Siebzigern für seine Tochter geschrieben hatte. »
Isn’t she lovely/ Isn’t she wonderful/ Isn’t she precious/ Less than one minute old.
«
    Gerade noch rechtzeitig beugte sie sich über die Toilettenschüssel. Sie schloss die Augen und sah grün und gelb. Sie öffnete sie und sah dasselbe. Die Rückenschmerzen veränderten sich von dumpf zu heiß, zu Messern, die Knochen durchbohrten. Sie erbrach sich, bis nur noch Galle kam, und dann endlich war auch davon nichts mehr übrig. Ihre Arme und Beine schlotterten, als die Krämpfe sie überwältigten. Der Teil von Owen in ihr sonderte sich ab. Sie war erleichtert. Sie war entsetzt und erschüttert, obwohl es nicht mehr zählte, was sie war. Sie konnte genauso wenig das Blut aufhalten, das ihr zwischen den Beinen herunterlief, wie die Dinge mit Owen wieder in den früheren Zustand versetzen.
    Das rosa-weiße schleimige Blut in ihrem Slip machte ihr Angst. Sie zog ihn aus, setzte sich auf die Toilette und ließ sich leer laufen. Unwillkürlich musste sie hinuntersehen, um zu wissen, was da kam. Pfropfen und zerquetschte Fäden aus dunklem Blut. Dazwischen helle, fast klare rote Tropfen. Nichts, was annähernd so aussah wie ein entstehendes Baby.
    Das Bad stank nach Erbrochenem und jetzt nach dem metallischen Geruch von Blut. Sie konnte Owens Aftershave nicht mehr riechen, und sie überlegte, ob diese neuen Gerüche auch hängen bleiben würden so wie sein Aftershave, das sie tagelang verhöhnt hatte.
    Nach einer Weile ließen die Krämpfe allmählich nach, und dann weinte sie leise und ausgiebig Rotz und Wasser. »Es tut mir leid«, flüsterte sie, obwohl sie nicht sicher war, an was oder wen sich das richtete.
    Sie zog eine lange Schlange von der Toilettenpapierrolle, schnäuzte sich und wischte sich das Gesicht ab. Danach kam ein Wutausbruch. Er sprühte und dampfte und ließ ihre Augen schmerzen.
Du Scheißkerl. Du verdammtes Arschloch
.
    Sie wurde von einem neuen Krampf überrascht. Der Atem blieb ihr hinter den Rippen stecken. »ARSCHLOCH!«
    Sie sollte jemanden anrufen. Konnte eine Frau nicht so verbluten? Sie musste jemanden anrufen. Doch der Einzige, den sie in diesem Moment in ihrer Nähe haben wollte, war Calder, und nach allem, was er neulich abends im
Hal’s
gesagt hatte, war ihm Owens Seitensprung die ganze Zeit bekannt gewesen. Hatte er auch gewusst, dass Owen sie verlassen wollte? Doch das spielte zu diesem Zeitpunkt keine Rolle. Als der nächste Krampf ihre Eingeweide, die Unterarme und Füße überfiel, prickelte jeder Teil ihres Körpers von ausbrechendem Schweiß, und unwillkürlich schrie sie den Namen ihres Bruders. Sie

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