Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
Vom Netzwerk:
schrie ihn immer wieder, bis das Echo von den Badezimmerwänden zu ihr zurückhallte. Nach Calders Hand sehnte sie sich, seine langen Arme hätte sie zum Trost gebraucht, nachdem die Blutung endlich nachgelassen und sie eine Zeit lang unter der heißen Dusche gestanden hatte. Sie ging den Flur entlang, rechts und links hingen die Fotos wie eine Prozession von Fremden, die nervös lächelten über all das, was im Bad vorgefallen war.
    Und all das war geschehen, nur wenige Stunden bevor Calder in ihrer Auffahrt gestanden hatte an dem Tag, an dem sie ihm gesagt hatte, er solle gehen und nie wiederkommen.
    »Spatz?«
    Annie blickt zur Tür. Der Gedanke an die Heimfahrt bringt sie zum Weinen.
    »Oh, Spatz.«
    »Es tut mir leid«, sagt sie, gestattet sich aber zu weinen.
    Onkel Calder legt seinen Arm um ihre Schulter und zieht sie an sich. »Seit du so groß warst, hast du notgedrungen alles mitbekommen. Und jede Kleinigkeit schien dir das Herz zu brechen.«
    Sie weint heftiger, als sie daran denkt, wie auch er ihr einmal das Herz gebrochen hat. In den großen Armen ihres Onkels wird sie wieder zum Kind. Sie schluchzt hemmungslos in seinen kratzigen Pullover und kann sich nicht dafür entschuldigen, dass sie ihn nass macht.
    »Siehst du?« Er lacht ein bisschen, als er sie drückt. »Dir geht es nicht gut, Spatz. Du bist stur, das steht fest. Und es
wird
dir wieder gutgehen. Doch im Augenblick gehts dir schlecht.«
    Es kommt ihr so vor, als bestünde sie nur aus Tränen.
    »Ist ja gut. Alles wird wieder gut«, sagt er, während er ihr auf den Rücken klopft.
    Endlich drückt sie sich von ihm weg und wischt sich über die Augen. »Was wird mit ihm passieren?«, fragt sie zwischen Schluchzern.
    »Nichts. Die Sache wird nicht mal vor Gericht kommen.«
    Sie will fragen, ob er glaubt, dass Calder so etwas getan haben könnte. Natürlich kann sie ihn das nicht fragen. Das nicht. Darum sagt sie nichts, und er glaubt anscheinend, das Schweigen überbrücken zu müssen.
    »Er hat das nicht getan, Spatz. Ich weiß, was du denkst.« Er starrt den Baum an und wirft sich eine Handvoll Erdnüsse in den Mund. Er hält ihr die Schale hin, und sie schüttelt den Kopf.
    »Ich weiß, du denkst, er könnte es getan haben«, sagt er, als er endlich mit dem Kauen aufhört. »Aber er war es nicht. Sieh mich an. Du musst es mir glauben. Es gibt viel mehr, was ich dir sagen muss. Ich möchte, dass du darüber nachdenkst, dich mit deinem Bruder auszusöhnen.«
    Sie wendet sich ab.
    »Willst du hören, was ich zu sagen habe, oder nicht?«
    Sie lächelt, nur ein bisschen. »Nicht unbedingt.«
    »Ich verstehe das als Ja.«
    Sie bringt kaum einen Seufzer heraus, als er sagt: »Ich habe monatelang versucht, ihn zu überreden, zu dir zu gehen, obwohl du ihm gesagt hast, er soll wegbleiben, aber er bestand darauf, deine Wünsche zu respektieren. Die ganze Zeit hat er auf ein Zeichen von dir gewartet, dass du ihm verziehen hast. Ich war es, der ihm gesagt hat, er solle an deinem Geburtstag zu dir fahren und die Sache einrenken.«
    »Er hat mir erzählt, dass er in die Frau von diesem Mann verliebt ist, Onkel Calder. Er hat gesagt, er könne sich nicht vorstellen,ohne sie zu leben. Und dann hat er noch gesagt: ›Das Problem ist nur, dass sie einen Ehemann namens Magnus hat.‹«
    Onkel Calder starrt sie an und durch sie hindurch. »Das weiß ich alles. Er hat mir das auch erzählt. Ich weiß, worauf du hinauswillst.«
    »Was soll ich denn denken?«
    Sie hat Onkel Calder nur einmal in ihrem Leben wütend erlebt. Das war, als ihre Mutter sich weigerte, die Schlafzimmertür zu öffnen, und er mit der Faust darauf hämmerte und sich dann auf den Boden warf, brüllend vor Wut, aber noch mehr aus Kummer.
    Jetzt ist er wieder wütend. Er wischt sich mit dem Handrücken über den steifen Mund, räuspert sich und holt so tief Luft, dass ein schleimiger Zigarrenhusten herauskommt. »Hör mal.« Seine Stimme klingt ruhig, beherrscht. »Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen.«
    »Ich weiß.« Na, und ob sie das weiß!
    »Der Rollator in der Ecke. Sieht harmlos aus, aber wie du schon sagtest«, bemerkt er, wieder unter Husten, und Annie weiß nicht, ob er vergessen hat, was er als Nächstes sagen wollte, oder es sich anders überlegt hat. So oder so, der Husten legt sich, aber Onkel Calder sagt nichts mehr und sie auch nicht.

TEIL ZWEI

ELF
    Wenn Annies Mutter die Zeitung las, schnalzte sie oft mit der Zunge, seufzte, und dann musste sie schmunzeln. Manchmal

Weitere Kostenlose Bücher