Komm zurueck, Como
seine lange Schnauze fiel.
Im Jahre 1975 , als wir uns kennenlernten, erzählte ich Sally meine Geschichte von Gengy. Das war in Seattle, wo ich bei einer neu gegründeten Wochenzeitung arbeitete, nachdem ich mich erfolgreich vor dem Englischstudium an der University of Washington gedrückt hatte. Sally arbeitete für die King-County-Bibliothek und spürte Bücher auf, die nicht rechtzeitig zurückgegeben worden waren. Ihre Chefin, Karen, hatte uns miteinander bekannt gemacht.
Sally und ich waren vom ersten Moment aneinander interessiert, taten aber, als wäre dem nicht so. Sie befand sich noch in einer offiziell intakten, aber verschlissenen Dauerbeziehung mit einem Highschool-Typen aus alten Tagen. Geschmeichelt von einer Frau, die mir einen Verehrerbrief wegen meines Berichts zu einer Fotoausstellung geschickt hatte, fragte ich mich, ob dieser Brief zu mehr führen könnte– was er in der Folge auch tat. Indem Sally und ich stillschweigend vereinbarten, füreinander unberührbar zu bleiben, hatten wir die Freiheit, freundlich miteinander umzugehen und auch ein bisschen zu flirten, ohne die Grenze zu überschreiten. Weitere elf Jahre vergingen, bevor wir uns wieder trafen und dann tatsächlich zusammenkamen. Es war schließlich unsere lang zurückliegende, gemeinsame Geschichte einer lockeren Freundschaft– und unterdrückten Liebelei–, die sich dank ihrer Lagerzeit als guter Brennstoff erwies. Sobald ich bei der Arbeit ihren Namen in einer SMS las, sobald ich ihr Gesicht in der Eingangshalle des Chronicle sah, sobald sich unsere Finger auf einem der schmuddeligen, mit Initialen verkratzten Holztische der Kneipe, die gleich um die Ecke meines Verlags lag, ineinander verschränkten, loderten die Flammen auf, ohne wieder zu erlöschen. Mir wurde kaum klar, dass ich viele Dinge nicht hörte, die sie sagte. Bei unserem ersten Kuss ein paar Stunden später wurde mir vor Schwindel beinahe schlecht. Später lachten wir darüber, dass sich verlieben eine Menge mit einer durch Bewegung verursachten Übelkeit zu tun hatte und alles um einen herum unkontrolliert schwankte.
Doch wenn ich ganz ehrlich bin, war dieser erste Kuss rein technisch nicht unser erster. Diesen hatte es 1975 am Halloween-Abend bei einer Kostümparty in West Seattle gegeben. Sally ging als Marlene Dietrich, ich als Groucho Marx. Beide stolzierten wir mit einer nicht angezündeten Zigarre umher, aßen gegrillten Tintenfisch und tranken zu viel Ouzo. Später saßen wir auf der baufälligen Treppe vor dem Haus, gerade noch geschützt vor dem Regen, und drückten die Knie aneinander. Wir reisten in entgegengesetzte Richtungen und waren uns dessen bewusst. Sally löste gerade eine langjährige Beziehung, ich war auf dem Weg dorthin. Doch mit dem Nieselregen, dem leicht wabernden Rauch vom Grill und unserer ziellosen Unterhaltung liefen unsere Wege an diesem Abend ein kurzes Stück völlig parallel. Der Kuss war nicht geplant, gelang uns aber mühelos und schien sich innerhalb einer Seifenblase zu ereignen. Wir wandten uns einander zu, schmeckten klebrigen Ouzo– Groucho zudem noch fettige Schminke– und feuchte Zigarrenblätter auf den Lippen des anderen und erhoben uns. Ein Kuss, und wir waren bereit zu gehen.
Auf der Rückfahrt von West Seattle unterhielten wir uns über unsere Familien. Beide hatten wir körperlich arbeitende Väter, unsere Mütter waren Hausfrauen, und beide hatten wir eine ältere Schwester. Wir hatten Wurzeln im Mittleren Westen– ich in Missouri, wo meine Eltern geboren und aufgewachsen waren, Sally in Kansas, der Heimat ihrer Mutter. Wir merkten es zumindest nicht bewusst, erforschten aber gegenseitig unsere Fundamente. Die Unterhaltung wechselte zu Haustieren aus unserer Kindheit– zu ihren Katzen und einer dem Untergang geweihten Ente und zu meinen Fischen und Schildkröten. Schließlich erzählte ich ihr von Gengy. Sie lachte über die Bindung meines Vaters zu dem Hund und lauschte aufmerksam, als ich Gengys asoziale Ader beschrieb.
» Hat euer Hund Leute gebissen?«, fragte sie.
» Hm, stolz bin ich darauf nicht, aber er hat es getan.«
» Hat er dich jemals gebissen?«, fragte sie weiter.
» Nein«, antwortete ich. » Warum fragst du?«
Sie holte tief Luft und erzählte von Beau.
Sallys Mutter beschloss ein paar Jahre später, als Gengy bereits lange bei uns war, einen Hund anzuschaffen. Die Familientheorien unterschieden sich in dem Punkt, wie und warum dies passierte, wie Sally mir erzählte, doch Heimweh muss
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