Komm zurueck, Como
Chef ist.« Als der Lärm schließlich etwa eine Stunde später endete, lag ich vor Aufregung und Neugier immer noch wach. Auf Zehenspitzen schlich ich am rappelnden Geschirrschrank im Esszimmer vorbei, wo ich über den neuen Küchenzaun spähte. Dort lag, den Rücken an eine Schranktür gelehnt und den Hund auf dem Schoß seines gestreiften Bademantels, mein Vater. Beide schliefen.
Vom ersten Tag an war eine Sache klar: Gengy war vor allem und auf ewige Zeiten der Hund meines Vaters. Wenn er abends durch den Hintereingang das Haus betrat, begrüßte er Gengy mit der künstlichen Singsangstimme, die er Hunden, Säuglingen und Kleinkindern vorbehielt, die zu jung waren, um ihm zu antworten oder etwas Unerwartetes zu sagen. Uns oder den Freunden meiner Eltern gegenüber grenzte seine Verschlossenheit schon an Übellaunigkeit. Es war, als bestünde er aus zwei Persönlichkeiten oder als träte zumindest sein zweites, kindhaftes Selbst durch den Anblick eines Säuglings oder eines Zwergdackels aus seinem Schattendasein.
Gengy, der immer bestens wusste, wie er das bekam, was er wollte, erwiderte eifrig die Zuneigung meines Vaters. Auf langen oder kurzen Autofahrten sprang er auf den Rücksitz und legte sich wie der teure Pelzkragen eines eleganten Mantels meinem Vater um den Hals. Beim Abendessen nahm er treu den Platz unter dessen Stuhl ein, wo er seinen Kopf auf die Strebe legte und heimlich fallen gelassene Fleischstückchen aufschnappte oder gemütlich an den Schuhen meines Vaters kaute. Als sich mein Vater eines Abends vom Tisch erhob, bemerkte meine Mutter ein neues Loch in einem seiner kostbaren Schuhe. » Ach, das ist doch egal«, wimmelte er sie ab. Gengy schlief natürlich nicht mehr in der Küche– dies hatte ein Ende, sobald er stubenrein war. Ab dem Moment schlief er zusammengerollt im Ehebett auf der Seite meines Vaters.
Wir anderen mochten Gengy. Ich nehme an, wir liebten ihn. Doch wir hatten auch Angst vor ihm, besonders während seiner unvorhersehbaren Wutanfälle, die er bekam, wenn sich ein Freund oder Nachbar näherte, während wir ihn auf dem Arm hielten. Meistens passierte nichts. Gengy zuckte nur mit seinem peitschenförmigen Schwanz und begrüßte die Leute fröhlich. Doch ab und zu bekam er Stress, bevor wir reagieren konnten. Dann knurrte er und biss in einen ausgestreckten Finger oder in eine Hand. Besonders beängstigend war, dass er nicht nur kurz knabberte, sondern seine Beute festhielt wie eine plötzlich zugeschnappte Fuchsfalle.
Jennifer, das kleine Mädchen von nebenan, formte ihren Mund verblüfft zu einem » o«, als die Sache passierte. Als Gengy nicht lockerließ und ich versuchte, sein Maul aufzubekommen, rannen Tränen über ihr Gesicht. Sie jammerte nicht und sagte kein Wort. Anschließend hielt sie sich aber auf Abstand. Mrs Corwin, die ein Stück die Straße hinauf wohnte, reagierte ganz anders. Zufällig war ich mit meiner Mutter, die Gengy auf dem Arm hielt, im Vorgarten. Etwas an unserer Nachbarin– die Art, wie sie sich bewegte oder die Hand ausstreckte, um ihn zu streicheln– gefiel ihm nicht. Er ließ den Kopf nach vorn schnellen und biss die Frau ins Handgelenk.
» Jesus Maria!«, rief unsere Nachbarin. » Sag ihm, er soll loslassen!« Meine Mutter bemühte sich, bis sie schließlich Mrs Corwins Arm aus den Fängen unseres Hundes befreit hatte. Mrs Corwin betrachtete zuerst ihre Wunde, dann uns. » Was, zum Teufel, ist bloß mit diesem Hund los?«, keifte sie und eilte die Straße entlang nach Hause. Meine Mutter schimpfte den Hund aus, während wir hineinhuschten und die Tür hinter uns schlossen. Immer wieder ließ ich mir die Szene durch den Kopf gehen, empfand gleichzeitig Scham und Erregung. Ich sah Mrs Corwins böses, verzerrtes Gesicht vor mir, hörte ihre Stimme immer noch durch unseren Garten hallen: » Jesus Maria!« und » Was, zum Teufel…«.
Am Abend, als mein Vater von der Arbeit nach Hause kam, gingen er und meine Mutter in sein Arbeitszimmer und schlossen die Tür. Judy und ich hörten sie miteinander streiten. Wir vermuteten, er weigerte sich, unseren bissigen Hund abzugeben. » Wir kriegen noch eine Anzeige an den Hals«, meinte Judy. » Die Corwins könnten uns vielleicht das Haus wegnehmen.« Die Tür zum Arbeitszimmer blieb noch lange geschlossen. Beim Abendessen wurde über die Angelegenheit kein Wort mehr verloren. Gengy saß wieder unter dem Stuhl meines Vaters, wo er an dessen Schuhen knabberte und darauf wartete, dass etwas Leckeres vor
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