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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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in einer scharfen Kehre auf den Parkplatz zu schleudern und vor der Anstalt heftig abzubremsen. »Wir sind da«, verkündete sie und sprang aus dem Wagen, als wäre sie vor einer Armee Feuerameisen auf der Flucht. Sie hastete ins Gebäude, und sobald ich Cody und Astor abgeschnallt hatte, folgten wir ihr in einem gemäßigteren Tempo.
    Deborah sprach noch mit dem diensthabenden Sergeant am Empfang, deshalb führte ich Cody und Astor zu zwei abgewetzten Stühlen. »Wartet hier«, sagte ich. »Ich bin in ein paar Minuten zurück.«
    »Bloß
warten
«, fragte Astor mit einem aufgebrachten Zittern in der Stimme.
    »Ja«, erwiderte ich. »Ich muss mit einem bösen Mann reden.«
    »Warum können wir nicht mit?«, quengelte sie.
    »Das wäre gegen das Gesetz. Jetzt wartet hier, wie ich es gesagt habe. Bitte.«
    Sie wirkten nicht gerade schrecklich begeistert, doch wenigstens sprangen sie nicht von den Stühlen und rannten kreischend den Flur hinunter. Ich machte mir ihre Kooperation zunutze und gesellte mich zu Deborah.
    »Komm«, sagte sie, und wir gingen zu einem der Vernehmungszimmer am anderen Ende des Flurs. Nach ein paar Minuten wurde Halpern von einem Wärter hereingeführt. Er trug Handschellen und sah noch schlimmer aus als zu dem Zeitpunkt, zu dem wir ihn hierher gebracht hatten. Er hatte sich nicht rasiert, seine Haare waren das reinste Krähennest, und in seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich nur als gehetzt bezeichnen kann, egal, wie abgedroschen das klingt. Er setzte sich auf den Stuhl, zu dem der Wärter ihn schob, kauerte auf der Kante und starrte auf seine Hände, als sie vor ihm auf dem Tisch lagen.
    Deborah nickte dem Wärter zu, der den Raum verließ und sich draußen auf dem Gang postierte. Sie wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit Halpern zu. »Nun, Jerry«, begrüßte sie ihn, »ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nachtruhe.«
    Sein Kopf fuhr hoch, als würde er von einem Seil hochgerissen, und er glotzte sie an. »Wie … wie meinen Sie das?«, stammelte er
    Debs zog eine Augenbraue hoch. »Ich meine gar nichts, Jerry«, sagte sie sanft. »Reine Höflichkeit.«
    Er starrte sie einen Moment an, dann ließ er den Kopf wieder sinken. »Ich will nach Hause«, sagte er mit leiser, zittriger Stimme.
    »Sicher möchten Sie das, Jerry«, sagte Deborah. »Aber ich kann Sie jetzt nicht gehen lassen.«
    Er schüttelte nur den Kopf und murmelte etwas Unverständliches.
    »Wie war das, Jerry?«, fragte sie in demselben freundlich geduldigen Ton.
    »Ich sagte, ich glaube nicht, dass ich etwas getan habe«, erwiderte er, wobei er noch immer nicht aufschaute.
    »Sie
glauben
es nicht«, fragte sie ihn. »Sollten wir uns dessen nicht sicher sein, ehe wir sie gehen lassen?«
    Er hob den Kopf, um sie anzusehen, sehr langsam dieses Mal. »Gestern Nacht …«, sagte er. »Etwas an diesem Ort …« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht.«
    »Sie waren schon mal an so einem Ort, nicht wahr, Jerry? Als Sie jung waren«, sagte Deborah, und er nickte. »Und dieser Ort erinnert Sie an etwas?«
    Er fuhr auf, als hätte sie ihm ins Gesicht gespuckt. »Ich habe nicht … es war keine Erinnerung«, protestierte er. »Es war ein Traum. Es muss ein Traum gewesen sein.«
    Deborah nickte äußerst verständnisvoll. »Was war das für ein Traum, Jerry?«
    Er schüttelte den Kopf und starrte sie mit hängendem Kiefer an.
    »Es könnte Ihnen helfen, darüber zu reden«, meinte sie. »Wenn es nur ein Traum war, kann es doch nichts schaden.«
    Er schüttelte weiter den Kopf. »Was war das für ein Traum, Jerry?«, wiederholte sie, diesmal ein bisschen eindringlicher, doch nach wie vor sehr sanft.
    »Da ist eine große Statue«, antwortete er, und er hörte auf, den Kopf zu schütteln und sah sich um, überrascht, dass er etwas gesagt hatte.
    »In Ordnung«, sagte Deborah.
    »Sie … sie ist wirklich groß«, fuhr er fort. »Und in … und in ihrem Bauch brennt ein Feuer.«
    »Sie hat einen Bauch?«, fragte Deborah. »Was für eine Art Statue ist es?«
    »Sie ist so groß«, sagte er. »Ein Körper aus Bronze, mit zwei ausgestreckten Armen, und die Arme bewegen sich nach unten, um …« Er verstummte, dann murmelte er etwas.
    »Was haben Sie gesagt, Jerry?«
    »Er hat gesagt, sie hätte einen Stierschädel«, antwortete ich, und ich spürte, wie sich mir sämtliche Nackenhärchen sträubten.
    »Die Arme senken sich«, sagte er. »Und ich bin … wirklich

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