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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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können.«
    »Sollen wir mal mit ihm reden?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Erst will ich Halpern noch mal sehen«, erklärte sie.
    »Ich hol nur rasch die Kinder«, sagte ich.
    Selbstredend waren sie nicht einmal in der Nähe der Stelle, an der sie hätten sein sollen. Doch fand ich sie mühelos; sie waren weitergegangen, um einen besseren Blick auf die beiden Köpfe zu erhaschen. Es könnte Einbildung sein, aber ich glaubte den schwachen Schimmer professioneller Anerkennung in Codys Augen zu entdecken.
    »Kommt«, rief ich sie. »Wir müssen los.« Sie wandten sich ab und folgten mir widerstrebend, doch ich hörte Astor wispern: »Jedenfalls besser als ein blödes Museum.«
     
    Er hatte vom hinteren Rand der Menge beobachtet, die sich versammelt hatte, um das Spektakel zu genießen, und war sorgsam darauf bedacht, nur einer in der starrenden Masse zu sein, nicht anders als die Übrigen, in jeder Hinsicht unauffällig. Dass der Beschatter sich überhaupt dort aufhielt, war ein Risiko – er konnte erkannt werden, aber er war willens, es darauf ankommen zu lassen. Und selbstverständlich war es befriedigend, die Reaktionen auf sein Werk zu erleben; eine kleine Eitelkeit, die er sich jedoch gestattete.
    Zudem war er neugierig, was sie mit der einen einfachen Spur anfangen würden, die er hinterlassen hatte. Der Andere war schlau – aber bis jetzt hatte er sie ignoriert, während er direkt daran vorbeiging und seinen Mitarbeitern erlaubte, sie zu fotografieren und zu untersuchen. Vielleicht hätte er etwas offensichtlicher vorgehen sollen – doch es blieb noch genug Zeit, alles richtig zu machen. Kein Grund zur Hast, und die Bedeutsamkeit, den Anderen zu erwischen, ihn zu kriegen, wenn alles genau stimmte – sie überwog alles Übrige.
    Der Beschatter rückte ein wenig näher, um den Anderen zu mustern, vielleicht ein Anzeichen auszumachen, wie er bis jetzt reagierte. Interessant, dass er diese Kinder mitgebracht hatte. Sie schienen vom Anblick der beiden Köpfe nicht sonderlich erschüttert. Vielleicht waren sie solche Dinge gewohnt, oder …
    Nein. Das war unmöglich.
    Er bewegte sich mit größtmöglicher Vorsicht, rückte näher, versuchte nach wie vor, sich seinen Weg im Gleichklang mit dem natürlichen An- und Abschwellen der Zuschauermenge zu bahnen, bis er an einer Stelle des gelben Bands stand, an der er den Kindern so nah wie möglich war.
    Und als der Junge den Kopf hob und ihre Blicke sich trafen, war jeder Irrtum ausgeschlossen.
    Einen Moment verschränkten sich ihre Blicke, jegliches Zeitgefühl schwand im Schlagen schattenhafter Schwingen. Der Junge stand einfach da und starrte ihn an, erkannte ihn – nicht, wer er war, sondern was, und seine kleinen dunklen Flügel flatterten in panischer Wut. Der Beschatter konnte nicht an sich halten; er rückte näher, gestattete dem Jungen einen Blick auf sich und die dunkle Macht, die er trug. Der Junge zeigte keine Furcht – er starrte einfach zurück und zeigte seine eigene Macht. Dann drehte sich der Junge um, nahm seine Schwester bei der Hand, und die beiden zockelten zu dem Anderen hinüber.
    Zeit zu gehen. Die Kinder würden sicherlich auf ihn zeigen, und er wollte nicht, dass man sein Gesicht sah, noch nicht. Er eilte zurück zum Auto und fuhr davon, jedoch ohne die geringste Sorge. Ohne die allergeringste. Wenn überhaupt, war er zufriedener, als er von Rechts wegen hätte sein dürfen.
    Das lag natürlich an den Kindern. Nicht nur, dass sie dem Anderen davon erzählen und ihn ein paar Schritte weiter in die nötige Furcht führen würden. Sondern auch, weil er Kinder mochte. Man konnte wunderbar mit ihnen arbeiten, sie übertrugen außerordentlich starke Gefühle und hoben die Energie des Ereignisses auf eine höhere Ebene.
    Kinder – wunderbar.
    Es fing tatsächlich an, Spaß zu machen.
     
    Eine Weile genügte es, in den Affendingern zu existieren und ihnen beim Töten zu helfen. Doch selbst das wurde durch die ständige Wiederholung langweilig, und hin und wieder überkam ES das Gefühl, es müsste noch mehr geben. Im Augenblick des Tötens gab es dieses peinigende Zucken von etwas Undefinierbarem, die Wahrnehmung, dass etwas im Begriff stand zu erwachen, um sich dann wieder zur Ruhe zu begeben, und ES wollte wissen, was das war.
    Aber gleichgültig wie oft, gleichgültig wie viele verschiedene Affendinger, ES gelangte nie dichter an dieses Gefühl, konnte es nie lange genug ausdehnen, um herauszufinden, was es war. Und darum wollte ES

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