Kommandosache HC-9
daß er eine so unverfänglich aussehende Nachricht verstand und entsprechend handelte.
Unmißverständlich ausgedrückt, ich hatte den Befehl erhalten, mich heute pünktlich um 2x Uhr auf der Dachterrasse des Moonshine-Hotels einzufinden. Dort würde jemand auf mich warten; das stand fest. Vielleicht kam ich bei der Gelegenheit zu einem unverhofften Kuß, denn sicherlich würde Miß Elis Teefer ihre Rolle sehr ernst nehmen.
Ich faltete den Briefbogen zusammen und steckte ihn in den Umschlag zurück. Ich mußte ihn wieder abliefern; darüber konnte es keinen Zweifel geben.
Tief durchatmend, von verworrenen Vorstellungen gequält, erhob ich mich und schritt auf die Terrasse hinaus. Da mein Apartment im zweiunddreißigsten Stockwerk des Hochhauses lag, hatte ich einen wundervollen Blick über die Chesapeake-Bucht. Unter mir sah ich das Villenviertel der Stadt Annapolis und westlich, etwa vierzig Meilen entfernt, mußte Washington liegen. Dort befand sich der zentrale Sitz der GWA. Dort war anscheinend etwas ausgearbeitet worden, was in spätestens einigen Stunden auf mich zukommen mußte.
Ich fuhr mit der flachen Hand über meinen nackten Oberkörper. Eigentlich hatte ich jetzt ein Sonnenbad nehmen wollen. Kritisch betastete ich die hervorragend verheilte Wunde, die mir vor knapp vier Wochen von einem Stahlmantelgeschoß zugefügt worden war.
Wie lange lagen diese Ereignisse schon zurück! Ich dachte kaum noch an den Fall »Virus-Lunaris«, der mit seinen Brutbehältern längst wieder in den abgesicherten staatlichen Laboratorien von Hilltown verschwunden war.
Nun aber war dieser Brief eingetroffen, in dem mich eine geheimnisumwitterte Dame einen »lieben, alten Schurken« nannte.
2.
Ich hatte einen Hubschrauber des Flugtaxi-Dienstes angerufen, da ich meine eigene Maschine nicht benutzen wollte. Leise brummend stand der Schrauber auf der Landefläche des Daches. Der Pilot ließ dienstbeflissen die Kabinentür aufgleiten.
Ich überprüfte den korrekten Sitz meines dunklen Anzuges, ehe ich hineinkletterte und mich in die weichen Polster sinken ließ.
»Bringen Sie mich zur Dachterrasse des Moonshine-Hotels.«
Der Mann nickte. Die Tür rollte zu. Unmittelbar darauf begann die kleine Strahlturbine zu summen. Die Geräuschdämpfung war vollkommen, wie man das von einer modernen Maschine auch verlangen konnte. Selbst die Geräuschabsorber der Lufteinlaßöffnungen wirkten so hundertprozentig, daß nur ein zischender Ton zu vernehmen war, als die Ansaugturbine anlief. Der Arbeitslärm der Verdichterschaufeln, der vier Brennkammern und der beiden Turbinen war überhaupt nicht zu hören.
Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich, daß der Pilot die beiden Hubrotoren einkuppelte. Die Maschine glitt langsam in die Luft.
Über mir wirbelten die Auftriebsschaufeln der gegenläufigen Kränze; unter mir tauchten die Straßen, Gärten und Gebäude der kleinen Stadt auf.
Der Pilot flog einen Umweg, da er offensichtlich bemüht war, dem dichten Luftverkehrsstrom über der Stadt auszuweichen. Eine schnelle Maschine der Luftpolizei flog an uns vorbei. Sie war an ihren Farben und an dem roten Licht deutlich erkennbar.
Ich erblickte die Grünanlagen des Strandparks. Auf der breiten Durchgangsstraße fuhren nur wenige Turbowagen, doch dafür wimmelte es in der Luft von Privatmaschinen aller Art. Seitdem man schon für neunhundertfünfzig Dollar einen zweisitzigen Schrauber kaufen konnte, hatten sich die Leute überraschend schnell von den Autos abgewandt. Das war innerhalb von zehn Jahren geschehen. In dieser Zeit hatten die Automobilfabriken
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