Kommandosache HC-9
lausbubenhaften Anwandlung die Zunge heraus.
Während ich das Glas in der Hand hin- und herschwenkte, fiel mir wieder ein, daß ich gestern Geburtstag gehabt hatte. Jetzt war ich tatsächlich vierunddreißig Jahre alt, da ich am 19. Juni 1968 das Licht der Welt erblickt hatte; und zwar in einem Land, das man damals noch »Bundesrepublik« genannt hatte.
Nun, diese Zeiten waren lange vorbei. Heute gab es nur noch ein Riesenland, das man »Europäische Union« nannte; in ihr war auch die ehemalige Bundesrepublik aufgegangen.
An meinem Geburtstag hatte mich niemand besucht, um mir seine Glückwünsche auszusprechen. Sang- und klanglos war der Tag vergangen. Ich hatte kaum wahrgenommen, daß für mich ein neues Lebensjahr angebrochen war. Mein einziger Gefährte war »Mister Automat« gewesen.
Und nun hielt ich den länglichen Brief in der Hand.
»Alter, ich habe das Gefühl, als enthielte er unangenehme Nachrichten«, sprach ich den Automaten an. Er antwortete nicht. Ich setzte das Glas an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Aus der Erfahrung des vergangenen Tages wußte ich, daß man diesen Drink blitzartig hinunterkippen mußte, wenn man nicht umfallen wollte. Irgendwie mußte ich es aber doch falsch gemacht haben.
Das eisgekühlte Giftzeug floß so langsam durch meine Kehle, daß ich krampfhaft zu husten begann. Dieser Cocktail verdiente seinen Namen tatsächlich zu Recht. Ich fühlte mich wirklich so, als wäre ich »peng-aus«.
Aus tränenden Augen starrte ich auf den Brief. Als ich ihn öffnen wollte und mir dabei fast den Fingernagel abknickte, bemerkte ich, daß der Umschlag aus dem neuen Helfos-Plastikmaterial bestand, das man nicht zerreißen konnte. Ich wankte hustend zu meinem Schreibtisch und ertastete eine Schere, mit der ich den Umschlag endlich aufschneiden konnte.
Ich warf einen fragenden Blick auf den gefalteten Bogen und suchte nach einem Grund, um mich wenigstens noch einige Minuten vor dem Lesen drücken zu können. Es half aber nichts. Ich wußte nur zu gut, daß ich den Inhalt doch zur Kenntnis nehmen mußte.
Ich schritt also betont forsch zu meinem Sessel zurück und ließ mich hineinfallen. Dann entfaltete ich den Briefbogen.
Zuerst sah ich die verkleinerte Porträtaufnahme einer bildschönen jungen Dame. Sie lachte mich aus der linken, oberen Ecke an, wo man normalerweise seinen Namen hinschreibt. Es handelte sich demnach um ein modernes Mädchen, das sein Bild sogar auf das Briefpapier drucken ließ. Ich betrachtete es liebevoll und mußte bei seinem Anblick wieder an meinen einsam verlaufenen Geburtstag denken. Unter dem farbigen 3-D-Bild stand in einem dünnen Schriftgrad gedruckt: »Elis Teefer«.
Ich murmelte anerkennend »hmm – hmm« und begann zu lesen.
»Lieber, alter Schurke«, lautete die Anrede. Ich runzelte die Stirn. Ob die junge Dame wirklich so burschikos war oder ob sie diese Worte nur auf höheren Befehl hin geschrieben hatte, konnte ich noch nicht klar durchschauen. Fest stand aber, daß sie eine Kollegin sein mußte, und mit diesen Mädchen konnte man nur selten gut auskommen.
»Ich finde es immerhin sehr nett, daß Du den Brief geöffnet hast«, las ich weiter. »Ich nehme an, daß Du Dich zu dieser ungemein schwierigen Arbeit nur mühevoll aufraffen konntest. Ferner nehme ich an, daß Du Dich nicht ganz wohlfühlst. Falls Dir das verwunderlich erscheinen sollte, so erlaube mir, Dich daran zu erinnern, daß wir uns heute abend verabredet hatten. Augenblicklich sitze ich in dem netten Lokal und bewege meinen Schreibstift. Es ist so gut wie sicher, daß Du nicht mehr kommst, zumal auch die Bildfläche des vor mir stehenden Bildsprech-Gerätes leer bleibt. Ich werfe also den Brief in den
Weitere Kostenlose Bücher