Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
Bremsen im Augenblick höchst unangebracht waren und dass sie äußerst vorsichtig sein mussten.
Aber glücklicherweise lag die kurvenreiche Landstraße ausgestorben zwischen dem Tannenwald. Vorsichtig gab er Gas und fuhr auf die andere Spur. Langsam fuhr er zurück.
Zwischen den Zweigen, die sich in der milden Nachtbrise bewegten, war Licht. Starbecks Tankstelle lag direkt hinter der Kurve vor ihnen. In dem kleinen Wohnhaus hinter dem Kassenhäuschen brannte Licht. Aus einem Fenster schimmerte Licht zwischen den Zweigen hervor.
Hill bog wieder von der Landstraße ab und parkte den Wagen halb im Graben. Weit unten und auf einer unbehaglichen Böschung, so waren sie zumindest vom Haus aus nicht zu sehen und trotzdem so nah dran wie möglich.
Sahlman fasste in sein graublaues Jackett und fand, was er suchte. Bereits als er ausstieg, lag seine Pistole geladen in seiner Hand. Mit seinen Guccischuhen stand er mitten im Morast des Grabens.
Hill kam um den Kofferraum herum. Er rutschte etwas auf ein paar kleinen Steinen, sprang dann aber lässig über den Graben. Es schmerzte etwas, als sich der Schlag in seinen Solarplexus in Erinnerung brachte. Er hatte vergessen, dass er immer noch rekonvaleszent war, aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr.
Jetzt stand ein Leben auf dem Spiel, davon war er überzeugt.
Er öffnete mit einer raschen Handbewegung den Reißverschluss seiner Wildlederjacke und zog seine Sig-Sauer aus dem Gürtel. Das Magazin lag vertraut und schwer in seiner Hand, genauso schwer wie bei den Schießübungen im Keller des Präsidiums. Fest klammerte er seine schweißnasse Hand darum und folgte dann Sahlman auf den Fersen.
Stoján Stefanis ritzte ihre Haut systematisch auf.
Er ließ die spezialgeschliffene Klinge seines Stiletts ihren Körper liebkosen wie die Zunge eines Liebhabers. Von den Schultern über die Brüste bis hinunter zum Schoß war sie gestreift, makabere rote Streifen. Blut sickerte über ihren Oberkörper und von dort weiter auf ihre Ober- und Unterschenkel.
Für Elin Starbeck gab es keine Gnade.
Sie hatte nicht das Geld, das sie von ihr forderten. Das lag auf der Bank und wurde dort als Sicherheit für ihre umfassenden Kredite gebraucht.
Aber sie hatte ohnehin den Verdacht, dass es keinen Unterschied gemacht hätte, wenn sie ihnen das Geld hätte zurückgeben können. Zu Recht ahnte sie die vollkommene Unbestechlichkeit ihrer Folterer. Mit denen, die sich ihnen widersetzten, kannten sie keine Gnade. Jetzt wusste sie, warum sie sie von dem Moment an gefürchtet hatte, in dem sie ihre Tankstelle betreten hatten. Nichts, was sie jetzt noch sagen oder tun konnte, konnte sie vor ihrem Schicksal bewahren.
Nicht einmal ihre innere Stärke konnte ihr noch helfen, so viel verstand sie auch in ihrem benebelten Zustand. Bald konnte sie nicht mehr und dann würde sie gezwungen sein, aufzugeben und sich in das barmherzige Dunkel der Bewusstlosigkeit fallen zu lassen.
Aber …
Ihr Traum war immer noch da. Er war so wirklich gewesen. Sie konnte ihn nicht einfach loslassen – sie weigerte sich!
Wenn sie jetzt aufgab … würde sie nie mehr träumen können.
Stoján amüsierte sich. Ihm gefiel seine Aufgabe und er beherrschte sie zur Vollendung. Blut lief aus den Schnittwunden der Alten, die so schmal waren, dass es fast schon lachhaft war. Die Verletzungen waren so minimal, dass alle nur mit den Achseln gezuckt und ein Pflaster daraufgeklebt hätten.
Wenn es nur nicht so viele gewesen wären.
Mit ein paar Zentimeter Abstand erstreckten sie sich von den Schultern nach unten. Elin Starbeck glich einer Markise im Sommerwind. Er schrieb ihr Todesurteil in unbarmherzigen, kadmiumroten Streifen.
Bernard wurde es fast übel.
Seine Reaktion überraschte und erschreckte ihn. Er konnte Blut sehen, das hatte er schon als Kind gekonnt. Vielleicht war das wieder sein Magen. Gleichzeitig erfasste ihn ein merkwürdiger Schwindel, und er sah seltsame farbige Punkte vor Augen.
Farben und Bilder. Bilder, die eine deutliche Sprache sprachen. Grün – rot. Elin – Jalinka. Rot – grün. Jalinka – Elin.
Bernard schüttelte sich, wischte sich den kalten Schweiß aus der Stirn und versuchte, sich zu sammeln. Adrian lehnte sich gegen die Tür, damit sie nicht auf diesem Weg entkommen konnte. Fragend sah er Bernard an.
Dann sah er wieder auf den Künstler und sein schöpferisches Werk.
Hill und Sahlman waren überall zerkratzt. An den Händen, im Gesicht, überall. Das Gestrüpp, das die
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