Kommissar Joakim Hill - 01 - Die zärtliche Zeugin
sich diese auch bei ihr ausbreiten würde.
»Komm schon, Joe Hill!«, sagte sie und knallte den ellenlangen Computerausdruck vor ihm auf den Schreibtisch.
»Aber …«
»Die Opfer müssen eine Gemeinsamkeit haben. Und wir müssen sie finden. Komm jetzt! Hilf mir!«
Sie bestand auf einer systematischen Vorgehensweise. Sie führten Listen und notierten sich alles Auffällige unter den Namen der Ermordeten. Gelegentlich ergaben sich Lücken und nachvollziehbare Unterschiede. Mann – Frau, jung – alt, allein stehend – mit Familie. Soziale Verhältnisse.
Es schien schwer zu sein, eine einzige Verbindung zu finden, abgesehen einmal von der Art, auf die sie gestorben waren.
Die deutlichste Gemeinsamkeit bestand darin, dass sie alle auf einmal zu Geld gekommen waren, zu unerklärlich großen Summen. Aber da fiel Rajid Hamawed aus der Reihe. Hier gab es nichts Verdächtiges. Vorbildlicher Familienvater … aber …!
Da war etwas.
Etwas regte sich in Hills Unterbewusstsein. Eine Erinnerung an die Worte der Witwe, als er sie in Landskrona besucht hatte. »Ich werde Rajids Pläne für den Ausbau der Tankstelle nicht ausführen. Von Anfang an war das ein zu großes Wagnis.«
Ein zu großes Wagnis, zu viel Geld. Unerklärlich große Summen, die in die Zukunft investiert werden sollten. Geld zum Verbrauchen – Geld zum Investieren.
»Investitionen! Damit könnten uns die Banken vielleicht helfen!«
Susanna hatte bereits den Hörer abgehoben, ehe er noch zu Ende gesprochen hatte.
»Telia? Hallo!«, sagte sie mit autoritärer Stimme. »Ich würde gerne mit jemandem bei der Bankenaufsicht sprechen. Falls das geht, können Sie mich gerne auch direkt verbinden. Danke.«
Auf der Notaufnahme in Lund war es an diesem Donnerstagvormittag ziemlich stressig gewesen. So war es fast immer, aber irgendwie war es ihr mühsamer vorgekommen als sonst.
Obwohl sich Catharina Elgh den eigentlichen Grund nicht eingestehen wollte, machte ihr dieser doch zu schaffen.
Sie machte sich Sorgen um Joakim Hill.
Vielleicht nicht direkt Sorgen, aber sie fragte sich, wie es ihm ging. Ob ihre Stiche gehalten hatten, ob seine Lippe wohl besser geworden war und ob sich seine Nase womöglich gelockert hatte.
Irritierend war das. Eigentlich war sie im Augenblick gar nicht auf eine feste Beziehung aus. Es blieb ihr aber auch nichts anderes übrig, als sich der Wahrheit zu stellen. Dieser Kommissar aus Helsingborg bedeutete ihr sehr viel. Selbst wenn sie bei fiebernden Kindern einen Nasenabstrich machte, war sie noch in Gedanken bei ihm.
Jetzt saß sie endlich mit einer Dreiviertelstunde Verspätung beim Mittagessen. Nicht dass sie deswegen weniger an ihn gedacht hätte, aber ein wenig half es zumindest, dass sie etwas in ihren hungrigen Magen bekam.
»Hallo, Catharina«, begrüßte sie die Kassiererin der Personalkantine. Sie war gerade damit beschäftigt, die Tabletts aufzufüllen. »Du bist spät dran.«
»Ja, es war etwas … stressig.«
»Willst du das Tagesgericht, Flunder mit Reis, oder …«
Catharina dachte nach, während sie sich in der großen Kantine umsah, von der aus man eine Aussicht über halb Lund und die Ebene von Schonen bis nach Malmö hatte.
An klaren Tagen konnte man sogar Kopenhagen sehen, und dann war auch besser zu verstehen, welche strategisch wichtige Lage die Stadt einmal als Festung des Erzbischofs im dänischen Reich gehabt hatte.
Aber jetzt sah sie nur eine halb leere Kantine, in der sich einige ihrer Kollegen, über ihre leer gegessenen Teller gebeugt, immer noch gut gelaunt unterhielten.
Plötzlich merkte sie, dass sie am liebsten nur ihre Ruhe haben wollte.
»Nein, ich glaube, ich nehme was Schnelles, ein belegtes Brot und einen Joghurt, irgendwas, was ich mit runter nehmen kann«, antwortete sie und bediente sich an der Kühltheke.
Die Kassiererin sah sie durchdringend an, als sie mit ihrem Käsebrötchen und Erdbeerjoghurt zur Kasse kam.
»Geht’s dir gut?«, wollte sie wissen.
»Gut? Ja … doch, natürlich. Natürlich geht’s mir gut.«
»Ich dachte nur, weil du so gar keinen Hunger hast.«
»Das ist nur vorübergehend«, versicherte Catharina.
»Vorübergehend?«
Die Kassiererin nahm das Geld und gab Catharina auf einen Fünfzig-Kronen-Schein zurück.
»Du hast dich doch nicht etwa verliebt?«, flüsterte sie vorsichtig.
»Verliebt? Nein! Warum fragst du?«
»Ich dachte nur. Es sieht ganz danach aus.«
»Und wie sieht es aus, wenn man verliebt ist?«, wollte Catharina in die Enge
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